Bitterer Chianti
Makler, der dir gestern das Angebot gemacht hat?»
Wanda hob verständnislos den Kopf, dann runzelte sie die Stirn. «Meinst du ...» Sie blickte zum Capitano hinüber.
«Ich meine nicht nur, ich bin davon überzeugt!»
«Vignabella – in Colle Val d’Elsa. Fährst du hin?»
«Va bene , immediatamente. Jetzt gleich. Soll ich meinen Anwalt auch zum Finanzamt in Florenz schicken?» Frank gab ihr die Nummer, und das Hausmädchen brachte Wandas Handtasche und einen leichten Seidenschal.
Nachdem die Guardia di Finanza den Betrieb stillgelegt hatte, die Gärtanks plombiert und die Zugänge zu den Flaschenlagern versiegelt waren, zog die Karawane wieder ab. Wanda Livonardis Kellermeister hatte einen Anwalt angerufen, der sie in Florenz erwartete, und auch Frank hatte Pandolfini junior erreichen können und hingeschickt. Direkt danach hatte er Antonia angerufen, die ihm versprochen hatte, zwei Leute von der Zeitung zu benachrichtigen. Sie würden sich sofort auf die Angelegenheit stürzen, denn sie enthielt politischen Sprengstoff, die Zeitung stand in Opposition zur Regierungspartei, und die Journalisten rochen eine von Parteifreunden ausgeheckte Intrige.
Was Antonias Mann betraf, so hatte sich nichts Neues ergeben, heute Morgen hätten lediglich mehrere Männer das Weingut aus einiger Entfernung beobachtet. Treffen dürften sie sich auf keinen Fall, denn Antonia habe den Eindruck, dass sie beobachtet würde, und ob die Schuldfrage bei einem Scheidungsprozess, zu dem es unweigerlich kommen würde, noch von Bedeutung sei, wisse sie nicht; das komme auf die Richter an. Aber sie sei dabei, etwas herauszufinden, was ihr sehr hilfreich sein könnte. Frank solle sich keine Sorgen machen, sie würde ihn anrufen. Noch bevor er fragen konnte, wann das sein würde, hatte sie aufgelegt.
Missmutig fuhr Frank nach Radda, um Giorgio Amarone zu treffen, aber der wurde erst am Nachmittag zurückerwartet. Also blieb ihm Zeit für den Ausflug zu den Maklerfirmen Terranuova und Vignabella. Bei Fotojobs wie diesem benutzte er nie ein Navigationssystem, sondern Karten, denn so prägte er sich die gesamte Region ein. Den nördlichen Teil des Chianti Classico hatte er in den ersten Tagen kennen gelernt. Seit letztem Montag war er mehr südlich der Linie Poggibonsi -Radda – Montevarchi unterwegs gewesen. Für die nächsten Tage standen Aufnahmen im Westen an, da hatte er bislang lediglich mit Malatesta und Josti di Chiarli zu tun gehabt.
Mit den bislang aufgenommenen Bildern, so wie Frank sie in Erinnerung hatte, war er mehr als zufrieden, ansonsten wuchs sich die Reportage zu einer Tortur aus. Lag es daran, dass er eine wesentliche Regel verletzt hatte, nämlich die, sich nirgends einzumischen? Er sollte nichts verändern, er sollte nicht teilnehmen, er sollte niemanden beeinflussen, sondern lediglich zeigen, wie es dort aussah.
Tat er es Antonias wegen? War Malatesta, den er insgeheim bewunderte, der Grund – oder Stefano Scudiere und der Beginn ihrer Freundschaft? Oder ging ihm das Durcheinander mit diesem widerlichen Commissario und seinen absurden Verdächtigungen auf den Wecker? Ich mische mich nirgends ein, dachte Frank zu seinem Entsetzen, ich bin mittendrin. Und es wird Zeit, dass ich da wieder rauskomme.
Aber Stattdessen tat er das Gegenteil. Während er nach Poggibonsi fuhr, ließ er die Winzer Revue passieren, die er bislang fotografiert hatte. Diese Leute waren eigenartig. Sie waren völlig unterschiedlich und hatten doch viele Gemeinsamkeiten. Alle hatten etwas vom Bauern, das Bodenständige und Erdige, eine tragende Ruhe, die sie befähigte, so lange auf den Wein zu warten, bis er gut war, und das konnte Jahre dauern. Gleichzeitig erinnerten sie an Priester, anders ließ es sich kaum ausdrücken, hatten ein Credo und sprachen von Philosophie. Sie waren fatalistisch, gaben ihr Leben an die Natur hin, begriffen Regen und Hitze als etwas Unabänderliches und zeigten sich dabei sehr großzügig. Machte das der ständige Blick in die Ferne? Immer standen sie irgendwo auf einem Berg und sahen in die Weite. Dann kam noch der Genuss hinzu, das Riechen und Schmecken, die Lust am Essen und Trinken, daran konnten sie sich begeistern, das war das Elementare. Und es zauberte ihnen oft ein Lächeln ins Gesicht. Frank hatte sie aufgekratzt erlebt, angeheitert, wütend, deprimiert oder verzweifelt, aber niemals betrunken.
Im vergangenen Sommer hatte er Fotos für den Geschäftsbericht eines Waschmittelkonzerns zu machen. Der Job
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