Bitterer Chianti
ob es sich um Stromausfall, geplatzte Kredite oder verdorbene Weinproben handelte. Dahinter war vermerkt, wem ein Angebot gemacht worden war, das Weingut zu kaufen. Das war bei allen auf der Liste der Fall, die irgendwie Pech gehabt hatten – bis auf Antonia. In der letzten Rubrik standen die Namen der Maklerbüros, die Frank in diesem Zusammenhang gehört hatte: Terranuova, Vignabella, Tosca-Bile, Vinterra Immobile.
«Ich würde mich freuen», sagte er lakonisch, «wenn Sie herausfinden könnten, wem diese Firmen gehören, wer dahinter steckt, wie viel bezahlt worden ist und was es mit den Firmen in San Gimignano und Colle Val d’Elsa auf sich hat.»
«Weshalb gehen Sie mit Ihren Fragen nicht zu einer Auskunftei?»
«Zum einen, weil ich keine kenne, und zum anderen, weil Sie mir von Stefano Scudiere empfohlen wurden.»
«Er hat nicht mich empfohlen, sondern meinen Vater.»
«Spielt das eine Rolle?»
«Wenn er gewusst hätte, dass ich komme, dann -» Pandolfini zögerte. «Ich darf über unsere Klienten nichts sagen.»
«Ich vertraue ihm, und das ist ausschlaggebend. Aber mich interessiert etwas anderes: Ein Weingut wird verkauft, es gibt einen Käufer, der verschwindet, löst sich in Luft auf. Kann man feststellen, wem das Weingut gehört?»
«Den Besitzer müsste man im Grundbuch finden.»
«Kommen Sie da ran?»
«Ich denke schon, aber ich müsste wissen, wonach ich suchen muss.»
Frank nannte ihm zwei Namen. «Und wenn eine Firma, wenn der Käufer nicht mehr existiert, kann man dann rauskriegen ...?»
«Wem sie gehört hat?» Endlich hatte Pandolfini verstanden, worauf Frank hinauswollte. «Da müsste ich einen Freund konsultieren, das müsste ein Notar machen. Jetzt sagen Sie mir bitte noch eins: Weshalb das Ganze?»
Frank schwieg einen Moment und kaute auf der Lippe. Er war wieder ganz ruhig. Er blickte auf, es schien, als sähe er den Avvocato an, aber er sah durch ihn hindurch, er sah zwei Männer ... «Ich glaube, ich habe die Mörder von Niccolò Palermo und seinem Sohn gesehen. Zuerst haben sie mich nur verprügelt. Aber jetzt wollen sie mich ...»
«Verstehe», war alles, was der Avvocato dazu sagte.
«Und jetzt rufen Sie bitte Signor Malatesta an!»
Der Anwalt blickte entrüstet auf seine Uhr. «Es ist 23 Uhr, Signor Gatow.»
«Na und? Aber wenn Sie meinen ... dann rufen Sie ihn bitte morgen früh an und fragen ihn nach der Baugenehmigung für die Kellerei von Avvocato Strozzi. Umweltgutachten und was in solchen Fällen noch alles wichtig sein könnte, Sie wissen das besser als ich.»
«Sind Sie nur Fotograf oder auch Detektiv?»
«Nur Fotograf – ah, gut, dass Sie das sagen: Können Sie mir einen großen Gefallen tun, einen sehr großen?»
Bartolomeo Pandolfini zuckte und verzog gespielt ängstlich das Gesicht, als fürchte er sich vor dem, was jetzt kommen könnte. «Was soll es denn sein, per favore?.»
«Bringen Sie mich bitte zu meinem Wagen. Ich möchte Ihnen noch Filme übergeben, die ich vergessen habe. Es sind Dias, die müssen zum Entwickeln ins Labor. Und holen Sie bitte die fertigen Bilder ab, danach bleiben sie bei Ihnen – zur Sicherheit, am besten im Tresor.»
12
Dienstag, 5. Oktober
Renato Benevoles neuer Einfall machte Frank den Aufenthalt auf dem Weingut etwas bequemer. Als er zurückgekommen war, hatte ein Handkarren am Fuß der Treppe zum Apartment gestanden. Der Zettel daran ließ keinen Zweifel am Verwendungszweck: Per il tuo equipaggiamento fotografico, buona notte, Renato.
Also hat er mich als möglichen Verdächtigen in seinem Kopf gestrichen, dachte Frank, die Suche nach einem neuen Quartier kann ich mir schenken, und ich muss die Ausrüstung auch nicht mehr den halben Kilometer weit vom Apartment bis zur Schlucht schleppen. Das Wägelchen war etwas ungewöhnlich – aber hilfreich. An der Schlucht jedoch würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als alles über die wacklige Brücke zur anderen Seite zu bringen. Die Heckklappe war von dem Zusammenprall zwar eingebeult, aber mit Kraft und Geschick ließ sie sich öffnen und schließen. Er brauchte dringend Anschlussaufträge, um das alles bezahlen zu können ...
Vagliagli schlief noch, genau wie Castellina, hingegen waren die Erntehelfer längst an der Arbeit, als bunte Punkte bewegten sie sich durch grüne Weinberge. Im Chianti Classico geschah die Lese von Hand, einmal wegen des steilen Terrains, zum anderen war dadurch sichergestellt, dass ausschließlich makellose Trauben geschnitten wurden. Damit
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