Bitterer Jasmin
Könntest du mitkommen?«
»Das wäre ja toll, Madam.« Bridget strahlte sie an. Gegen den Widerstand ihrer ganzen Familie hatte sie damals die Heimat verlassen. Als Mrs. Fields Mädchen zurückzukehren war gerade das richtige. »Ich würde gerne heimfahren. Wann geht es los?«
»Schon morgen. Ich lasse die Karten durchs Büro besorgen.«
An der Schlafzimmertür blieb Bridget zögernd stehen. Sie sah ihre Herrin noch einmal an. Neid kannte das Mädchen nicht, soweit es Eileen betraf. Weder das handgearbeitete Nachthemd noch der wunderbar eingerichtete luxuriöse Raum oder die Mühe, das Tablett drei Treppen hinaufzubringen, störten sie. Sie bemerkte nur, wie blaß und unglücklich die arme Mrs. Field aussah, welche Ringe sie unter den Augen hatte, als hätte sie keine Sekunde geschlafen.
»Stimmt irgend etwas nicht, Madam?« fragte sie zutraulich und besorgt.
»Ich sag dir's, wenn wir daheim sind«, wich Eileen aus. Es gelang ihr sogar ein kleines Lächeln. »Mach dir keine Gedanken, Biddie, es wird schon alles wieder.«
***
Das Kindermädchen verließ mittags das Haus. Peters und Madeleine saßen in dem Mietwagen an einer Stelle der Straße, von der aus sie die Haustür gut beobachten konnten. Sie sahen ein Taxi eintreffen und die Frau mit einem Diener herauskommen, der ihr zwei große Koffer nachtrug. Lucie Field war an diesem Vormittag nicht ausgeführt worden; auch sonst hatte niemand das Haus verlassen. Peters zündete sich eine Zigarette an.
»Es ist vielleicht sogar besser als vorher«, meinte er dann. »Wir mußten uns ja darauf verlassen, daß das Mädchen nicht zur Polizei gehen würde. Die Mutter tut es bestimmt nicht. Sie läßt sicher sofort ihren Mann herkommen.«
»Das Risiko ist aber größer«, entgegnete Madeleine.
»Das Haus ist doch voller Leute.«
»Bist du etwa nervös?« Er sah sie kurz an.
»Ein bißchen«, sagte sie achselzuckend. »Wenn sich irgendwer einmischt, dann müssen wir schießen – das ist dir doch hoffentlich klar?«
»Nur im äußersten Fall«, mahnte er. »Und dann ist Resnais dran, und wir können ohne Schwierigkeiten weg. Aber lass uns gar nicht an eine solche Möglichkeit denken. Es ist ja schließlich kein Überfall.«
»Wär' mir aber lieber«, sagte sie. »Ich fände das viel leichter.«
Er sah auf seine Uhr. Zehn nach zwölf.
»O.k.«, kommandierte er. »Wir haben jetzt genau drei Stunden Zeit, um zum Flugplatz zu kommen. Resnais kommt eben um die Ecke. Los jetzt!«
Es war, als habe der Butler auf ihr Klingeln gewartet. Madeleine war kaum einen Schritt von der Tür zurückgetreten, als sie sich schon öffnete. Mario sah sich einer gutgekleideten Frau und einem großen Amerikaner gegenüber.
»Ja, bitte?«
»Ist Mrs. Field da?« fragte Madeleine lächelnd und trat schon ein. Sie konnte Angestellten gegenüber souverän auftreten; schließlich war sie daheim unter Dienern groß geworden. Mario trat zurück. Peters und Madeleine gingen in die Halle.
»Wen darf ich melden?«
»Mr. und Mrs. Lions aus San Francisco.«
»Wenn Sie bitte im Salon warten wollen? Ich rufe Mrs. Field herunter. Ich glaube, sie ist oben im Kinderzimmer.«
»Ach, dann gehen wir gleich hinauf.« Madeleine hängte sich bei Peters ein. »Ich habe Lucie schon so lange nicht mehr gesehen. Sicher ist sie mächtig gewachsen …« Sie lächelte den Butler strahlend an und marschierte die Treppe hinauf. Er hörte, wie sie lachte und zu ihrem Mann sagte: »Mein Gott, wie viele Stufen! Kein Wunder, wenn Eileen ihre Figur so gut hält.«
Ihn beschlich zwar das Gefühl, daß die beiden in den Salon gehört hätten, aber wie sollte er eine Dame aufhalten, die so bestimmt auftrat und Mrs. Field so gut zu kennen schien? Ein englischer Butler hätte nicht gezögert. Mario fehlte die Tradition dieser Ehrfurcht einflößenden Gattung von Menschen. Er nahm an, daß alles in Ordnung sei, und ging in das Souterrain, um mit seiner Frau und Bridget noch die Abreise der verhaßten Kinderfrau durchzukauen.
Eileen hatte Lucie an der Hand. Das Kind vermißte seinen Morgenspaziergang, es zog am Arm der Mutter.
»Park«, sagte es.
»Wir gehen heute nachmittag hin, Kleines«, beschwichtigte sie. »Dafür darfst du jetzt mit mir zum Essen hinunter. Das macht doch Spaß, nicht? Wir essen zusammen unten am Tisch …«
Sie öffnete die Tür zum Treppenhaus. Das kleine weiße Gatter stand offen. Von unten waren Stimmen zu hören. Im zweiten Stock unterhielten sich leise zwei Leute; die Stimmen kamen
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