Bitterer Jasmin
Verbindungsknopf und wählte langsam die Zahlen. Es läutete, aber niemand hob ab. Der Oberst übertrug die Zahlen auf ein Blatt und gab es seinem Assistenten. »Jemand soll die Adresse dazu herausfinden. Ich vermute, dieser Habib Ibrahimi war an irgendeiner subversiven Aktion beteiligt. Die Sache muß gründlich untersucht werden – fangt gleich damit an.«
***
Peters verließ seine Pension mittags und mietete sich in einem angesehenen Mittelklassehotel auf der Cromwell Road ein. Er gab sich als Tourist auf der Durchreise nach New York aus und buchte für den Abend einen Tisch für drei Personen im Restaurant. Den Nachmittag verbrachte er nachdenkend in seinem Zimmer. Er hatte Madeleine zugehört, ohne eine einzige Frage zu stellen. Sie erwähnte auch, daß sie das Kind beinahe gepackt und mitgenommen hätte. Peters runzelte die Stirn. »Gott sei Dank hast du nichts dergleichen getan.«
Sie wollte nicht zu Resnais zurück, wollte bei ihm bleiben.
»Wie sieht denn die Kleine aus?«
»Ach – ziemlich mickrig. Typisches Oberklassenkind. Du, wenn wir nicht gleich was unternehmen, haben wir keine Chance mehr.«
»Wir unternehmen bestimmt was, aber erst müssen wir uns überlegen, wie.« Damit war die Unterredung beendet.
Madeleine hatte recht. Wenn sie zögerten, verschwand das Kind nach Irland, und für eine Flucht von dort waren keinerlei Vorbereitungen getroffen worden. Für die Flucht aus England hingegen stand alles bereit. Er mußte nur telefonieren, wenn der Zeitpunkt gekommen war. Sie trafen sich um sieben in der Hotelhalle. Er schüttelte Resnais die Hand und küßte Madeleine auf die Wange. In seinem Anzug mit dem seidenen Rollkragenpullover sah er wie der typische amerikanische Reisende aus, der zwei ausländische Gäste empfing. Sie bestellten jeder einen Drink und redeten belangloses Zeug. Es befanden sich noch drei Paare im Raum. Zwanzig nach sieben nahmen sie ihre Plätze im Restaurant ein, das zu dieser Zeit fast leer war. Vier Gäste saßen in großen Abständen verteilt. Peters bestellte das Abendmenü und eine Flasche Wein.
Resnais beugte sich über den Tisch. »So einfach wie nach dem ursprünglichen Plan wird es nun nicht mehr gehen.«
»Ein Kind zu rauben ist nicht einfach. Vielleicht wäre es Madeleine gar nicht gelungen.«
»Doch!« unterbrach sie ihn. »Die Frau wollte mit dem Kind gar nichts mehr zu tun haben. Sie hätte es mich mitnehmen lassen.«
Es wäre ein so einfacher Plan gewesen. Je weniger kompliziert ein Manöver war, um so besser ließ es sich abwickeln. Peters hatte immer den kürzesten Weg zu seinen Zielen gewählt. Madeleine sollte sich mit der Kinderfrau bekannt machen, sie zwei- oder dreimal treffen und damit auch das Vertrauen des Kindes gewinnen. Dann irgendwann darum bitten, daß sie mit der Kleinen einmal einen Augenblick lang weggehen dürfe, da sie ihr etwas zeigen wolle. Peters und der Wagen hätten schon bereitgestanden. Im Kinderwagen wäre eine Nachricht hinterlassen worden: »Lucie ist in Sicherheit. Wenn Sie das Kind gesund zurückhaben wollen, informieren Sie nicht die Polizei. Gehen Sie heim, wir melden uns.« Entwaffnend einfach, das Ganze. Kein Gerangel mit einem erschrockenen kleinen Mädchen, das von Fremden in ein Auto gezerrt wurde, denn sie würde Madeleine schon kennen und freiwillig mitkommen. Und bis die aufgeregte Kinderfrau zum Eaton Square zurückgekehrt wäre, hätte man dort bereits angerufen und die Warnung wiederholt, daß die Polizei nicht informiert werden solle, sondern nur Logan Field, und daß man genau seinen Anweisungen zu folgen hätte. Es war undenkbar, daß eine verantwortungsbewusste Angestellte, die das Leben des ihr anvertrauten Kindes bedroht wußte, etwas anderes tun würde, als die Kidnapper ihr auftrugen.
»Merde«, fluchte Resnais. »Merde, merde! Alles muß jetzt geändert werden. Was sollen wir bloß tun? Die Sache abblasen?«
Peters fixierte ihn. Er wartete, bis der Ober ihnen den ersten der drei langweiligen Gänge serviert hatte – eine halbe Grapefruit mit einer klebrigen Kirsche in der Mitte.
»Wir holen sie uns morgen«, sagte er. »Ich erkläre euch noch, wie.«
4
Die Telefonverbindung zwischen Teheran und London war besser als sonst. Als James Eileen erreichte, hörte er ihre Stimme zwar schwach, aber deutlich. Es war fünf Uhr nachmittags – er hatte den Anruf schon um neun Uhr morgens angemeldet. Im Büro waren Logan, der oberste Bergwerksingenieur und der Buchhalter die Zahlen durchgegangen.
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