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Bitterer Jasmin

Bitterer Jasmin

Titel: Bitterer Jasmin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyny Anthony
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umklammerte ihre Handtasche fester. »Wie schrecklich für Sie. Wann gehen Sie denn schon?«
    »Morgen«, kam die Antwort. »Ich habe ihr heute gesagt: ›So lasse ich mich nicht behandeln! Nach alldem, was ich für das Kind getan habe. Gleich morgen früh gehe ich!‹ Das paßte ihr natürlich gar nicht.« Wie leicht die Wahrheit doch umzudrehen war. Beinahe hatte sie sich schon selbst überzeugt, daß alles so abgelaufen war. »Wenn Mr. Field hier gewesen wäre, hätte sie es nicht gewagt. Er hat mir völlig vertraut.«
    Einen Augenblick lang war Madeleine der panische Gedanke durch den Kopf gezuckt, daß Logan plötzlich zurückgekommen sein könnte. Sie löste ihre Hände von der Tasche. Auf dem Leder zeichneten sich Schweißspuren ab. »Wahrscheinlich nimmt sie sich dann doch eine andere Kinderfrau. Aber für Sie ist es schlimm.«
    »Nein, das tut sie nicht. Sie verreist mit ihr nach Irland. Gräßliches Land, finden Sie nicht? Will sich selbst um das Kind kümmern. Ich hasse die Iren. Sie sollen sich ruhig selbst gegenseitig umbringen. Sie ist Irin. Lucie, wisch dir doch nicht die Hände am Mantel ab!«
    Madeleine stand auf. Das kleine Mädchen starrte sie aus riesigen runden Augen an. Irland. Unwillkürlich dachte sie an Peters Schlagwort: »Jesus Christus auf Rädern.« Irland. Die Mutter war in London, die Pflegerin aus dem Haus. Das Kind wurde nach Irland gebracht. Der ganze Plan zerbrach.
    »Ich muß leider gehen«, sagte sie. In ihrer Handtasche war eine Pistole. Resnais hatte sie, versteckt in einer Brandyflasche, hereingeschmuggelt. Einen Augenblick lang kam ihr der wahnwitzige Gedanke, die Frau zu erschießen und das Kind zu ergreifen. Ein Pärchen näherte sich ihnen. Sie waren um die Ecke gekommen, ohne daß Madeleine sie bemerkt hatte. Keine Chance mehr. Sie winkte dem kleinen Mädchen zu und ging weiter. Erst in einiger Entfernung fing sie zu rennen an und lief, bis sie das Auto erreicht hatte.
    ***

    »Wir haben das da gefunden«, sagte Oberst Ardalans Assistent.
    Es war ein Zettel, vielleicht fünf Zentimeter lang, von einem größeren Blatt abgerissen. Offenbar der weiße Rand einer Zeitung. Sechs Zahlen waren mit Bleistift darauf notiert, kaum leserlich, das Papier ganz zerknüllt. »Es steckte in seiner Hosentasche.«
    Ardalan glättete das Papier und besah es sich. »Und das war alles?«
    »Ja, Herr Oberst. Ein paar Haushaltsgegenstände, ein zweiter Anzug und die Sachen von der Frau. Nicht viel – es waren ganz gewöhnliche arme Leute. Er hat im Hilton als Kellner gearbeitet, ich habe seinen Chef befragt. Der sagte, daß er gut gearbeitet habe, und sonst wüsste er nichts von ihm.«
    Ardalan zog an einer dünnen Zigarre, nahm sie dann aus dem Mund und drückte sie in dem Onyxaschenbecher auf dem Schreibtisch aus. »Seine Frau hat gesagt, daß ihr Mann sehr klug war.« Es hatte lange gebraucht, bis er die Frau zum Reden gebracht hatte, zu verständlichem Reden. Die Information war interessant für Ardalan. Klug in welcher Weise? Habib Ibrahimi wußte in der Politik Bescheid. Hatte mit ihr darüber reden wollen, aber sie war zu dumm dafür. Sie senkte beschämt den Kopf. Politik war nichts für Frauen. Aber Habib war sehr zornig gewesen, ging immer in die Cafés und sprach mit anderen klugen Männern. Drei Nächte bevor er starb, hatte er sie beim Heimkommen geweckt, war ganz aufgeregt, und sie dachte, er wolle sie schlagen. Er sagte aber nur lauter böse Sachen über den Minister Khorvan.
    Was für Sachen? versuchte Ardalan aus ihr herauszubekommen. Einen Verräter habe er den Minister genannt. Der Oberst ermutigte sie mit einem freundlichen Lächeln. Eine hübsche junge Frau war sie, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Die Hand, mit der sie den schwarzen Gesichtsschleier vor den Mund hielt, zitterte. Daß sie noch am Leben war, verdankte sie Habibs Gewohnheit, das Bett für sich zu beanspruchen. Er ließ sie auf dem Boden schlafen, und daher hatte der Mörder sie nicht gesehen, als er sich ins Zimmer schlich. Im Dunkeln war sie dort gehockt, zu erschrocken, um auch nur aufzuschreien, als ihr Mann sich wehrte und aus dem Bett fiel. Daß er ihm die Kehle durchschnitt, hatte sie nicht gesehen, nur das gräßliche Gurgeln gehört und dann den Mörder davonschleichen sehen.
    Ardalan gab ihr Geld und ließ sie mit einem Polizeiauto zu ihrer Familie zurückbringen, die auf der anderen Seite von Teheran lebte. Er betrachtete den Zettel mit den Zahlen. Dann nahm er den Hörer ab, drückte auf den

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