Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
alle diesbezüglichen Zukunftspläne zunichte. Denn Rianna, die Schonas und sein Kind austragen sollte, mit ihrem Blut und ihrer Lebenskraft nähren durfte, war die Enkelin des Mannes, der hier tot in der Pathologie lag. Sie war die Älteste dieser Blutlinie und damit seine Erbin. Die Eltern waren schon lange tot, ihr Bruder war noch zu jung, um sein Nachfolger zu werden. Einen anderen Mann oder eine andere Frau würde ihr Stamm nicht akzeptieren. Damit schied sie als Brüterin aus. Sie würde sich jetzt stattdessen darauf vorbereiten müssen, sein Erbe anzutreten.
Auch er selbst war natürlich der ›Sohn‹ einer Stammesfrau. Er dachte jedoch selten darüber nach. Das Thema war tabu. Von der Existenz seiner Rasse, von der Parallelwelt, in der sie lebte, wussten in der Welt der Stämme nur die Druiden. Und bei den meisten seiner eigenen Leute war die Welt der Stämme ebenfalls unbekannt. Denn der Kontakt lief ausschließlich über die Worldwatchers, Leute wie ihn, die nach umfangreichen Tests ausgesucht worden waren. Nur intelligente, vertrauenswürdige und körperlich sowie seelisch stabile Männer kamen infrage. Sie wurden dann in geheimen Lagern ausgebildet. Die Überlieferung besagte, dass es in den Anfängen, in der dunklen Zeit, auch Frauen bei den Worldwatchers gegeben hatte. Doch das hatte sich nicht bewährt. Frauen waren zu weich, zu harmoniebedürftig. Sie brachten nicht die Härte auf, die notwendig war, um das System der beiden Welten aufrechtzuerhalten.
Peters starrte auf den Leichnam. Was sollte er tun? Er wollte dieses Kind, wollte in ihm und durch es weiterleben! Wenn es nicht eingepflanzt wurde, würde es eines dieser Laborbabys werden, die jeder haben konnte. Die Kinder, die von Nazca-Frauen ausgetragen wurden, waren besser, geboren, um zur Elite seiner Rasse zu gehören wie er selbst. Vielleicht war es die Tiernatur, die ihre Leihmütter ihnen weitergaben, die sie so stark machten. Laborbabys waren bestimmt zu dienen. Babys, die aus dem Bauch von Nazca-Frauen kamen, waren bestimmt zu herrschen. Kinder, wie er selbst eines war.
Michael Peters sehnte sich so sehr danach zu erleben, wie sein Kind in Riannas Bauch eingepflanzt wurde, dass sein Herz schmerzte. Das Mädchen würde sich natürlich an nichts erinnern. Falls es die Geburt überlebte. Sie würde sich nur noch entsinnen, dass sie mit den anderen Mädchen des Stammes zu den Linien gegangen war, um die Zeremonie der Träume zu durchleben. Erst durch sie wurden die jungen Frauen als vollwertige Mitglieder des Stammes anerkannt. Ab dem zehnten Lebensjahr mussten sie den Ablauf wieder und wieder üben. Damit sie auch alles richtig machten, wenn sie zu den Linien kamen.
Die Zeremonie begann mit Sonnenaufgang. Während sich der Planet über den Horizont schob, stimmten sie die einstudierten Gesänge an, nahmen sich bei den Händen und vollzogen die vorgeschriebenen Tänze. Nach und nach fielen die Mädchen in Trance und begriffen nicht mehr, was nach Sonnenuntergang geschah. Dann kamen die ›Feen‹ und verabreichten ihnen die Droge, die sie bewusstlos werden ließ. Dann, so lautete die Überlieferung der Stämme, kommunizierten die Seelen der angehenden Frauen mit den Göttern. In Wirklichkeit wurden die zur Brüterin bestimmten Jungfrauen fortgebracht und ihnen die Föten eingepflanzt. Die anderen erwachten mit der Morgendämmerung.
Falls eine Brüterin überlebte, würde sie erst nach der Geburt wieder zu sich kommen. Doch sie starben fast alle. Die Föten seiner Rasse wurden zu groß für ihre gedrungenen Körper, waren zu fordernd und ließen meist nichts als eine erschöpfte, ausgelaugte Hülle zurück. Sie mussten sie aus den Körpern schneiden, dem Schmetterling helfen, aus dem vertrockneten Kokon zu schlüpfen, denn durch die Vagina der Nazca-Frauen passten die Köpfe der Babys nicht. Hin und wieder überlebte eine von ihnen. Sie konnte zurück zu ihrem Stamm und wurde fortan besonders geehrt. Die Narbe am Bauch wies sie als Günstling der Götter aus. Diese Frauen waren bei den Männern der Stämme begehrt. Die besten schlugen sich um sie. Die meisten dieser Mädchen kehrten jedoch niemals wieder in ihre Welt zurück. Sie galten bei den Stämmen als die Opfer, die die Götter forderten, damit sie die Sonne am Himmel festhielten.
Wenn Rianna zu den Linien ging, würde in Anbetracht der Umstände kein Fötus eingepflanzt werden, sondern das Implantat mit dem Chip, mit dem sie unter Kontrolle gehalten werden konnte. Falls er den Tod
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