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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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des Nerds meldete. Was er musste. Das Überleben des Systems der zwei Welten hatte Vorrang vor allem anderen.
    So war das Gesetz. Und das unter allen Umständen zu garantieren, war die Aufgabe eines Worldwatchers.
    Was also sollte er tun? Sollte er die vorgeschriebene Meldung vom Tod des Mannes machen? Oder besser erst einmal herausfinden, was hier geschehen war?
    Peters versuchte, den Puls des Druiden zu fühlen. War da nicht etwas? Das kurze Aufflackern der Hoffnung erlosch beim tausendsten Blick auf die Zahlenkolonnen im Display seines Scans. Er ärgerte sich über sich selbst. Nun begann er schon damit, sich selbst zu betrügen wie einer dieser Halbmenschen. Die neigten dazu, für wahr zu halten, was sie sich wünschten. Sie unterschieden nicht zwischen Wirklichkeit und Traum, zwischen Lüge und Wahrheit. Sie glaubten fest, dass alles, was man denken konnte, auch existierte. Ihrer Überzeugung nach wurde die Wirklichkeit aus den Gedanken geschaffen, aus den guten und den schlechten. Alles Aberglaube. Das machte es auch so einfach, sie mit Hilfe simpler Drogen zu manipulieren.
    Da kam ihm die Stimme seines Kindes wieder in den Sinn, dieses - Gefühl, dieser Gedanke. Nein, Schluss jetzt. Das konnte nur eine Sinnestäuschung gewesen sein. Trotzdem. Er würde nicht zulassen, dass sein Kind einmal zu den Dienenden gehörte. Es musste leben, in seiner ganzen Kraft und Stärke zum Fortbestehen seiner Rasse beitragen. Peters wusste in diesem Augenblick, dass er alles dafür tun würde. Selbst den eigenen Tod in Kauf nehmen.
    Er musste sich etwas einfallen lassen. Nein, Kind, flüsterte er in sich hinein, nein, ich werde nicht zulassen, dass das geschieht. Dir ist Großes bestimmt. Vielleicht sogar, einmal ein König meines Volkes zu werden. Du bist aus den besten aller Gene geschaffen.
    Da nahm er ein Lachen wahr. Leise, zart, zärtlich. Es war die Stimme, die er schon einmal im Zimmer der Empfängnis gehört hatte.
    Peters schüttelte den Kopf. Jetzt wurde er wirklich langsam verrückt. Sollte er die Dosis seiner Wahrnehmungsdroge überprüfen lassen? Derart starke Gefühle waren in seiner Welt nicht üblich, für einen Worldwatcher inakzeptabel. Wenn das bekannt wurde, degradierten sie ihn oder entließen ihn ganz. Womöglich schied er dann sogar ganz als potenzieller Vater aus und sie würden sein Kind töten. Das musste verhindert werden. Jeder Mann der oberen Kaste bekam nur einmal in seinem Leben ein Mädchen der Stämme zugeteilt. Erst, wenn ein Naturgeborener selbst ein natürlich geborenes Kind vorweisen konnte, war es ihm erlaubt zu heiraten, bekam er ein eigenes Haus. So lange lebten alle Männer in Männerkasernen und die Frauen in Frauenunterkünften, auch die Laborgeborenen. Das war gewollt, die beiden Kasten sollten einander begegnen, einander einschätzen lernen. Die Laborgeborenen mussten von Kindesbeinen an begreifen, dass die Naturgeborenen ihnen überlegen waren.
    Es war Männern und Frauen strengstens untersagt, sich ohne Eheerlaubnis des Ministeriums für Rassehygiene zu paaren. Paarungen zwischen Mitgliedern der Oberen und der Unteren Kaste wurden ohnehin nur in Ausnahmefällen gestattet. Wenn ein Laborgeborenes besonders gute Voraussetzungen für die Fortpflanzung aufwies, konnte es sein, dass es einem Naturgeborenen zum Partner gegeben wurde. Die Strafen für Zuwiderhandlungen waren drakonisch. Die Männer und Frauen wurden erst an den Pranger gestellt und dann eliminiert. Ihre Namen wurden aus den Abstammungschroniken gelöscht. Was alle folgenden Generationen anging, so hatten sie niemals gelebt. Im selben Atemzug fiel Peters' Entscheidung. Er würde den Körper des Druiden verschwinden lassen und dessen Stamm mitteilen, dass ihr Druide für einige Zeit ins Land der Feen gegangen sei, um noch mehr Weisheit zu erlangen. Wozu war er der Führer dieser Worldwatchers-Einheit, wenn er seine Macht nicht nutzen konnte, um sein Kind zu retten?
    Er hielt kurz die Luft an und atmete tief aus. Er würde sterben, ebenso qualvoll wie dieser Nazca- Mann, falls das entdeckt wurde.
    II
    Rianna trat aus der Höhle und verneigte sich vor dem Weißdorn, der neben dem Eingang wuchs und der kleinen Quelle Schatten spendete. Sie schickte dem Strauch ihre guten Gedanken und ihren Dank. Dann suchten ihre Augen die Umgebung ab. Wo blieb der Großvater nur? Er war noch nie fortgegangen, ohne ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Gestern war der Führer des Stammesrates zu ihr gekommen und hatte ihr gesagt, der Großvater

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