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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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werde es versuchen«, sagte er und drückte ihr die Hand. »Ich wünsche Ihnen Kraft.«
    »Danke«, murmelte sie. Dann ging er.
    ***
    Einen Tag vor dem Rosenwettbewerb fuhr Friedhelm Eberlein wieder hinaus ins Gartenparadies. In den letzten Tagen hatte er mehr Gedanken gewälzt als in den letzten beiden Jahren. Die Sache um Erwin und Trudchen ließ ihm keine Ruhe. Er hatte Mitleid mit der Ehegattin und war wütend auf Erwin. Er sollte froh sein, so eine liebe, fürsorgliche und nette Frau zu haben. Na ja, putzsüchtig war sie wohl, aber jeder hatte eben sein Hobby. Und nach über 50 Jahren Ehe hatte man sich wohl nicht mehr viel zu sagen.
    Auf dem Weg zu Erwins Garten traf er Willy Grünfink. Die beiden Männer kannten sich flüchtig.
    Willy Grünfink lüpfte seinen Strohhut und reichte die andere Hand dem Exkommissar. »Wollen Sie einen Garten pachten? Ich hätte da einen, allerdings einen ziemlich verwilderten ...«
    Eberlein winkte lachend ab. »Wahrscheinlich bin ich dazu schon zu alt. Nein, nein, ich wollte meinen Freund Erwin besuchen.«
    Willy Grünfinks Miene verdüsterte sich. »Also, mit dem Erwin haben wir in letzter Zeit so unsere Probleme. Etwas eigen war er schon immer, aber nun ist das Maß voll. Er lässt niemanden in seinen Garten. Dabei weiß ich, dass er da ist.«
    »Na, da schauen wir mal ...« Eberlein drückte die Klinke nieder, doch das Gartentor war zu.
    »Erwin? - Erwin!« Niemand antwortete und Eberlein nahm wieder den Weg über den Gartenzaun. Willy Grünfink blieb einen Moment unschlüssig stehen, dann folgte er Eberlein. Der hob warnend die Hand. »Vorsicht! Letztens fuchtelte er mit einem Gewehr herum.«
    Die Terrasse war leer. »Erwin? - Erwin!«
    Eberlein lief, gefolgt von Willy Grünfink, um die Laube herum. Neben der Buchsbaumhecke sah er zwei Beine hervorragen. »Erwin!«
    Eberlein beugte sich zu Erwin herunter. »Erwin?«
    Willy Grünfink war stehen geblieben und blickte teils entsetzt, teils neugierig auf Erwin. »Ist er tot?«
    Eberlein fasste an Erwins Handgelenk. »Mausetot«, stellte er betrübt, aber sachlich fest. Dann packte er ihn an der Schulter und drehte ihn um. Zur Sicherheit fühlte er noch einmal an der Halsschlagader. »Nichts mehr zu machen.« Er betrachtete aufmerksam Erwins Gesicht. Es war seltsam bleich und feucht, ein dünner Blutfaden sickerte aus dem Mundwinkel.
    »Da müssen wir wohl die Polizei rufen. Es sieht ganz nach einer Vergiftung aus.«
    »Vergiftung?« Willy Grünfink schlug sich die Hand vor den Mund. »Um Gottes willen...« Scheu betrachtete er Erwins Leiche, doch dann stutzte er. »Was ist denn das?« Unter Erwins Körper war eine kleine goldene Dose zum Vorschein gekommen.
    »Nicht anfassen«, warnte Eberlein.
    »Das Zeug kenne ich. Dabei habe ich den Erwin gewarnt.«
    Eberlein hob den Kopf. »Gewarnt? Wovor?«
    Willy Grünfink richtete sich auf. »Ich habe es fast geahnt, was er hier treibt.« Er deutete auf die blaue Rose.
    »Ich verstehe nicht...«
    »Es war Erwins Ehrgeiz, eine ganz besondere Rose zu züchten. Vor längerer Zeit haben wir mal darüber gesprochen. Dabei ist es unmöglich, eine blaue Rose zu züchten.«
    »Sind Sie sich sicher? Das ist eine blaue Rose.«
    Grünfink schüttelte entschieden den Kopf. »Rosengewächsen fehlt die genetische Möglichkeit für die blaue Blütenfarbe. Das ist nur durch eine gentechnische Veränderung machbar. Und das dauert viele Jahre. Das da«, er deutete auf die goldene Dose, »ist Betrug. Das Pulver gibt es im Internet, es färbt die Rosenblüten blau, wenn man es unter die Wurzeln gibt. Aber ich habe ihn gewarnt, das Zeug ist schlimmer als Rattengift, enthält Arsen und Thallium.«
    »Ach!« Eberlein erhob sich. »Er hat bewusst betrogen?«
    »Sieht so aus.« Willy Grünfink hob die Schultern. »Nach einem chinesischen Märchen gelten blaue Rosen als Symbol der erfüllten Liebe, sie sind Ausdruck einer vollkommenen, heilen Welt.«
    »Es war Erwins heile Welt, die nun zu seinem Tod geführt hat.«
    Im Stillen tat Eberlein Abbitte bei Trudchen, dass er sie nur einen Augenblick verdächtigt hatte, Erwin zu vergiften. Es war Erwins krankhafter Ehrgeiz, der ihm zum Verhängnis geworden war.
    Er setzte sich auf die Terrasse vor der Gartenlaube und wartete auf die Polizei und den Leichenwagen. Sein Blick schweifte über das Paradies Nummer 13, das nun gar kein Paradies mehr war. Das Leben war schon seltsam. Und ihm tat Trudchen leid, die nun Witwe war. Er blieb auch noch sitzen, als die Polizei und der

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