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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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ihn an.
    »Ach, Sie sind es, Herr Eberlein! Was für eine Überraschung! « Dann veränderte sich ihre Miene. »Ist was mit Erwin?«
    »Wie man's nimmt.« Er trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Aber kommen Sie doch rein. Bitte die Schuhe abtreten, oder besser, ziehen Sie sie aus.«
    Es war wohl auch besser so, dann brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben, als er über den perfekt gesaugten Läufer des Korridors ging. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. Trudchen Fröschle eilte ihm voraus.
    »Ich war gerade dabei, die Pflanzen zu polieren.« Ein wenig verlegen knetete sie den Lappen in ihrer Hand. »Ich nehme Buttermilch, da glänzen die Blätter so schön.«
    Vor dem Fenster standen zwei prachtvolle Pflanzen, ein Gummibaum und eine Dieffenbachie. Die Blätter glänzten wie Speckschwarten.
    »Die ist aber giftig«, meinte er und deutete auf die Dieffenbachie.
    Trudchens Hand mit dem Lappen zuckte zurück und sie schaute Eberlein erschrocken an. »Tatsächlich? Das wusste ich nicht. Sie sieht so hübsch aus mit diesen marmorierten Blättern.«
    »Keine Angst, man darf sie schon berühren, nur nicht essen.« Er grinste schief, dann blickte er sich um. Die Möbel glänzten ebenso, das Büffet mit den Porzellantellern, die Vitrine mit den Nippes. Ob sie die auch mit Buttermilch behandelte? Auf der Sofalehne lagen gehäkelte Deckchen und der Couchtisch war mit einer blütenweißen gestärkten Tischdecke bedeckt. Nirgendwo war ein Staubkörnchen zu entdecken.
    »Ach, ich bin unhöflich. Möchten Sie einen Tee trinken?« Sie stopfte den Lappen in die Schürzentasche. Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte sie in die Küche, Friedhelm Eberlein folgte ihr. Zögerlich betrat er den klinisch sauberen Fliesenboden in der Küche. Auch hier glänzte und blitzte es, nichts lag herum, Eberlein konnte keinen Fettfleck, keinen Fingerabdruck, keinen Spritzer entdecken.
    Sie wies auf den Küchenstuhl, Eberlein nahm Platz.
    »Ich mache mir Sorgen um Erwin«, begann er unverblümt.
    Gertrud Fröschle seufzte. »Ich mache mir schon lange Sorgen um Erwin.« Mit schnellen Handgriffen schaltete sie den Wasserkocher an, füllte Tee in eine Kanne und goss ihn auf. Während der Tee zog, platzierte sie zwei Tassen und ein Schälchen Zucker auf dem Tisch. Dann ließ sie sich auf den anderen Stuhl sinken. Ihr Gesicht wurde fahl, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Eberlein bekam Mitleid mit der alten Frau. Sie wirkte so hilflos. So wie sie stellte man sich eine Oma vor, mit grauem Haar, das sie am Hinterkopf zu einem Knoten verschlungen trug, einer bunten Kittelschürze, Hausschuhen aus Filz und abgearbeiteten Händen.
    »Es ist schlimm geworden mit ihm. Dabei habe ich immer Verständnis für seine Rosenzucht gehabt. Aber in letzter Zeit war er wie besessen. Oft kommt er nicht einmal nachts mehr nach Hause. Das ist kein Leben mehr. Ich bringe ihm das Essen hinaus, aber er will mich da gar nicht sehen. Ich würde ihn nur stören, sagt er. Stören, wobei? Ist das nicht verrückt?« Sie wischte sich die Tränen mit einem karierten Taschentuch ab, das sie aus der Tiefe ihrer Schürzentasche geholt hatte. » 53 Jahre sind wir nun verheiratet, aber so etwas ... so etwas ... Dass es einmal so weit kommt ...«
    Eberlein nickte mitfühlend und verständnisvoll. »Ich habe selbst gesehen, wie es um ihn steht. Ich verstehe es auch nicht.«
    »Aber trinken Sie doch«, forderte sie ihn auf. »Der Tee wird kalt, dann schmeckt er nicht.«
    Einen winzigen Moment zögerte er. Doch als Trudchen Fröschle den Tee trank, trank er auch. Er schalt sich einen Narren, dass er nur für einen Moment Erwins Verdacht geteilt hatte, Trudchen wolle ihn vergiften. Der Tee schmeckte aromatisch, nach Pfefferminze und Erdbeeren.
    »Eine interessante Mischung«, stellte er fest. Da fiel sein Blick auf die Fensterbank. Ein kleines graues Päckchen lag da, halb von der gerafften Gardine verdeckt. »Rattengift? Ist das nicht gefährlich?«
    Trudchen blickte auf. »Ach, das. Er sollte es mit in den Garten nehmen. Ich habe es extra gekauft, weil er klagte, da kämen immer wieder Ratten. Aber seit mehreren Tagen ist er gar nicht mehr nach Hause gekommen. Ich habe ihm das Essen hingebracht. Das Gift habe ich vergessen.«
    Eberlein trank aus. »Tut mir leid, dass es so weit gekommen ist«, murmelte er.
    Sie blickte ihn an. »Vielleicht können Sie ihn zur Vernunft bringen. Ich schaffe es nicht mehr.« Es klang nur wenig Hoffnung in ihrer Stimme.
    Er erhob sich und seufzte. »Ich

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