Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Essen auf den Haufen wirfst.«
»Du glaubst mir noch immer nicht. Ich habe nachgelesen. Magenschmerzen, Darmkrämpfe, Haarausfall, feuchte Haut, Sehstörungen, Gelenkschmerzen, geschwollene Füße, das sind alles Zeichen einer Vergiftung mit Rattengift.« In Fröschles Augen standen Tränen. Er schien völlig verzweifelt. Plötzlich packte er Eberlein an den Schultern und schüttelte ihn. »Du bist doch mein Freund. Du musst mir etwas versprechen.«
Eberlein zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin schon seit fünf Jahren aus dem Polizeidienst raus. Also, wenn du jetzt von mir erwartest...«
»Nein, nein, es ist schon alles zu spät. Ich werde diesen Anschlag nicht überleben. Ich spüre es. Mein Körper ist schwach, ich habe keine Kraft mehr.«
»Wenn du auch nichts isst.«
»Das Gift, es ist das Gift. Sie hat es geschafft, sie hat gewonnen. Aber der letzte Sieg gehört mir!« Er hob den Blick zum Himmel und ein seltsames Leuchten trat in seine Augen. Unangenehm berührt, trat Eberlein einen Schritt zurück. Jetzt war Erwin völlig irre.
»W... w... was für ein Sieg?«
»Den Rosenwettbewerb. Versprich mir, dass du in meinem Namen die Rose zum Wettbewerb anmeldest, wenn ich nicht mehr bin.«
»Du wirst nicht sterben, glaub mir. Das hat bestimmt alles eine andere Ursache. Niemand will dich umbringen.«
»Versprich es mir, versprich es mir!« Aufgeregt sprang Fröschle vor ihm auf und ab.
»In Gottes Namen, ich verspreche es dir.« Wie konnte der Mann nur in dieser Situation an den Rosenwettbewerb denken? »Und wo ist deine Wunderzüchtung?«
Mit gehetztem Blick sah sich Fröschle um, dann zog er Eberlein mit sich. »Hier, hier ist sie. Ist sie nicht wunderschön?«
Umgeben von einer undurchdringlichen Wand aus exakt geschnittenem Buchsbaum stand ein einzelner Rosenstock. Er sah nicht anders aus als all die anderen Rosen, trug an zwei Stängeln mehrere Knospen. Eine war aufgeblüht.
»Nun?« Mit weit aufgerissenen Augen starrte Fröschle ihn an. »Was sagst du?«
»Äh - ja - also, was soll ich sagen. Sie ist schön.«
Wieder hüpfte Fröschle auf und ab. »Schön? Mann, du hast keine Ahnung! Schau dir die Farbe an.«
In der Tat, so eine Farbe gab es in Fröschles Garten noch nicht. Es war ein zartes - ja, was? Blau! »Sie ist blau«, stellte er trocken fest.
»Natürlich ist sie blau, das ist ja die Sensation. Noch niemandem ist es geglückt, eine blaue Rose zu züchten. Ich bin der Erste.«
»Tatsächlich?« Es klang wenig geistreich. »Wenn du es sagst.«
»Deswegen passe ich ja auf sie auf wie ein Schießhund. Wenn das jemand erfährt, die klauen sie mir doch sofort. Aber es ist meine Züchtung! Meine - meine - meine ...«
»Sicher! Und du solltest diesen Triumph erleben, gesund und bei Kräften. Iss endlich was und hör auf, hier rund um die Uhr auf der Lauer zu liegen.«
»Du darfst es niemandem verraten, schwöre es mir. Bis zum Wettbewerb.«
»Wann ist der denn?«
»In zwei Wochen. Dann sind auch die anderen Knospen aufgeblüht. Das wird eine Sensation!«
»Ich schwöre dir, dass ich schweige wie ein Grab. Aber du musst mir versprechen, endlich etwas zu essen.
Und geh zum Arzt. Vielleicht haben diese schlechten Werte eine ganz andere Ursache. Vielleicht hast du ein Magengeschwür oder eine Darmentzündung oder ...«
Fröschle schwieg bedeutungsvoll, dann umarmte er Eberlein und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
***
So eine verrückte Geschichte! Friedhelm Eberlein schüttelte immer wieder den Kopf, während er in der Straßenbahn saß und nach Hause fuhr. Wie konnte sich sein Freund nur so in diese fixe Idee hineinsteigern? Allerdings, wenn er darüber nachdachte, so mancher brave Mensch war schon zum Verbrecher geworden. Es kam auf die Umstände an.
Kurz entschlossen stieg Eberlein aus und wechselte die Bahn. Fröschles wohnten am anderen Ende der Stadt. Er sollte Trudchen mal einen Besuch abstatten, um zu erfahren, was wirklich hinter dieser verrückten Sache steckte. War Erwin gar über seinen Rosenwahn verrückt geworden?
Fröschles wohnten in einem soliden Häuserblock aus den dreißiger Jahren. Er klingelte im ersten Stock des nach Putzmittel riechenden Treppenhauses. Auch die Messingklingel sah aus wie frisch poliert. Für einen kurzen Moment überlegte er, dass er jetzt darauf seinen Fingerabdruck hinterlassen würde. Er musste lächeln. Ganz konnte er seine 40 Jahre kriminalistische Tätigkeit nicht abschütteln.
Gertrud Fröschle öffnete schwungvoll und starrte
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