Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Dienstmägden über die Blusen vomuierte.
Ich zu meinem Theil bankettierte nie mehr solcherart edelmännisch und ließe mir auch keine einzige Edelspeis mehr nicht daselbst wohlschmecken. Nächst vor der Tür war dann der folgende Tag, der 23. Aprilis, der hiebevor noch nie von solch Unbilligkeit erfüllet gewesen sein sollte. Der Herrin Gräfin Knappen und Dienstleut ward auferlegt, den schändlichen Widerborst - dergestalt in meiner hochwohllöblichen eigenen Persönlichkeit - zu suchen und zu fangen, auf dass er gehenket, geköpfet und geradebrechet werden sollte. Denn so das Fürnehmste es nicht gewesen sei, der Gräfin Magen und Bauch zu belasten. Und da das weltlich Gesetz desgleichen auch wider GOTT ist, so traf mich Justitiam schwer.
Doch so der Zufall wollte, entginge ich mit List und Verstandnus den Häschern Amelindens.
Fürwahr wird sich der erlauchte, kundige, werthe etc. Leser nun fragen, wiewohl mein Grund zur Flucht gerechtfertiget sein sollte, da eine Verhaftung und das Gefangnus an sich doch fürtrefflich zum eigenen Unglücke beitragen würden. Dem setze ich entgegen, dass ich im Falle meiner Einkerkerung zwar dem Unglücke anheimfiele, doch aber auch meine geliebte Gräfin vor die Augen bekäme, was wiederum der Pflege meines richtigen und wahrhafftigen Unglückes im Wege stünde, darvon ich also nicht glücklich wäre.
Ohnlängst hernach fällete ich dahero den Beschlüsse, die ewige Glückseligkeit zu erlangen, und zwaro dadurch, dass ich meiner Gräfin den Übertritte in das Himmelreiche erleichterte. Ein löblich Vorbilde nahm ich mir an Albertus Magnus, der sich bereits vor Jahrhunderten daran versuchete, Arsen in einem Milchbrei als Fliegengifte zu verwenden. Solcherart waren meine Überlegungen, und ich schickete einen eingemache- ten Brei als Geschänke in das Schlosse zu Ingelsheim. Als Amelinden sich daran erquickete, als ob es allbereit ihr Leben gälte, erfüllete sich ihr Bauch alleweil mit Schmärzen und dies kontinuierte so lang, bis sie blubberte und furzete und es aus ihrem Hintertürchen sprudelte wie ein lustig Brünnlein und nicht mehr auf- hörete, bis sie tot darnieder sank.
Hier nun ist die erste Etappe meines Unglückes erreicht, und wie ein Erzschelm führe ich meinen Plane fort, indem ich kultiviere das Aussetzen jeglicher Verköstigung meines gar allzu starken Essenstriebes. Gar selbst Fische, Gebratenes und andere Viktualien verabscheuete ich seit unlängstem Tage und pflege mein Unglück.
Unter närrischen Leuten mag nun die Prophezei umgehen, ich würde durch meine eigene Kasteiung und Scheinwissenschaft der Unglückspflege mein eigen Absterben wunderbarlich beschleunigen. Ich meinerseits ward jedoch niemals glücklicher gesehen, seit es mir so unglücklich erging.
Geneigter Leser,
den 13. Junius des Jahres 1678
dein dienstwilliger Felix Heinrich Cattmer
Heidi Rehn
Da waren es nur noch drei ...
D IE H OFMEISTERIN D IETLIND VON S CHÖNINGER war leichenblass. Am ganzen Leib zitternd, stand die gedrungene, ganz in Schwarz gewandete Mittvierzigerin vor der schönen, jungen Herzogin und rang verzweifelt nach angemessenen Worten. Ihre knöchernen Finger krallten sich in die Falten des schweren Samtkleides, die schmalen, blutleeren Lippen bebten. Immer wieder hielt sie beim Reden inne, schloss die graublauen Augen, rang nach Atem, um dann in schleppendem Tonfall den Versuch fortzusetzen, das eben Erlebte zu schildern. »Ihr glaubt es nicht«, wiederholte sie zum fünften Mal, um sogleich wieder mitten im Satz abzubrechen.
Mühsam bezwang sich Dorothea. Am liebsten hätte sie die Schöninger gepackt und kräftig geschüttelt, bis sie zur Vernunft kam. Zu gern würde sie endlich erfahren, was sie nach Ansicht der Danziger Witwe nicht glauben sollte. Voller Wehmut gedachte sie Dietlinds Vorgängerin, Lucia von Meinstorp, die ihr über so viele Jahre treu zur Seite gestanden hatte. Niemals hätte sich die holsteinische Hofmeisterin eine solche Blöße erlaubt und sich in derart wirrer Verfassung vor sie gewagt, geschweige denn, so hilflos herumgestammelt.
»So beruhigt Euch doch«, mahnte sie und legte der Schöninger die Hand auf die Schulter. So unauffällig wie möglich äugte sie dabei in die Weiten des langgestreckten Gemachs. Es musste sich doch jemand finden, der ihr beistehen konnte, die Frau zu beruhigen.
In tadelloser Haltung saßen die acht Hoffräulein artig auf der Bank an der Längswand nebeneinander, die streng frisierten Köpfe über die
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