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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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nützlich.
    Wertheste Freunde,
    ich möchte dem ungetrübeten, hochgeehreten und curiösen Leser dieser meiner kurtzen Schrift vorausschicken, wie es zur Bewandtnus meines für viele Freunde allzu frühzeitigen Ablebens kommen soll.
    Als einziges Kinde meiner Eltern wurd ich von unserem HERREN auf diese Erde hernieder-, so auch herabgelassen.
    Meine Eltern waren zwey Stück. Der eine Theil männiglichen Geschlächts, der andere weibisch. Wir bewohneten eine gar warme, mit gebrochenen Steinen aufgeschichtete Residenz. Durch meine bäurisch Auf- und Anerziehung bekam ich somit kein edelmännisch Gemüth mit auf den mühseligen Lebensweg; wohingegen ich mich durch meine ausgewogen fröhliche Empfindsamkeit prädestinierte für ein geruhlich Leben - so man mich wohl auch Felix nennete.
    Nachfolgendergestalt werde ich nun meine bis dato ehrbare Vita erzehlen.
    Betreffend der äußerlichen Erscheinung meines Corpus möcht ich folgenderart sprechen: Unter geringen Leuten gehet die Sage, ich wäre ein grauslich dickes Ungethüm. Dem entgegen zu sezen vermag ich die Verteidigung, dass ein stattlicher Bauch darvon Zeugnus ableget, welcherart man christlich zur Tafel sizet.
    Der hochwohlgeborne Pfaff unseres gläubiglichen Dorffes fragte deshalb auch meinen Herren Vatter, der von Berufes wegen Kirchenmaler war: »Was hat es für eine Bewandtnus, dass du Engelein von solch possierlicher Schönheit malest, aber vice versa solch ein grauslich Kinde in die unsrige Welt gesezet hast?«
    Mein allseits geliebeter Herr Vatter stund Red und Antwort: »Das kommet darvon, dass ich die Engelein bei Tageslichte mache, die Kinder jedoch des Nachts, wenn ich nicht sehe, was ich tue.«
    Gleichwie das unsrige Hauswesen durchaus adäquat war, so stund dem das gantze Dorfwesen meiner teutschen Heimat wirklich in nichts nach. Der Eltern Tugenden erbten dero Kinder, dahero wir ein allerseits bekannter und willensstarker Menschenschlag waren.
    Aber eines schönen Tages eröffnete sich meinem an Erfahrungen armen Ich das klägliche Leiden der Liebe - dieserart in der süßen Gestalt der feingliedrigen, grazilen Gräfin Amelinde von Ingelsheim. Mit einem lauten Schrey sanck ich onversehens in Ohnmacht nieder zu Boden, so schön war die Frau Gräfin.
    Indessen schaffete man mich auf die Burg, wo ich sehr sanffte gepfleget ward und darnach in ihro Gräfin Diensten stund. Ich lernete viel in dieser Zeit, die ich in ihrer Nähe verbrachte; vornehmlich die Kunst des Anbandeins und der Verführerei. Ihre alabasterweiße Haut entlockete mir ein Entzücken und ihr marmorenes Haar ließ mich immer wieder frohlocken, wenn es sich fügete, dass sie gepflegten Schrittes in mein Blickfeld geriet.
    Nach nicht allzu langer Zeit schien der heiß ersehnete Moment gekommen, mit ihr in zärtlichste Liebesbande zu verfallen. Und es dünkete mich, dass ich meinem Namen alle Ehre machete. Warmherzig und gefällig war ihre Anwesenheit und der bloße Gedanke an sie erfüllete mich mit Gefühlen der Wonne. - nobilis, mei miserere, precor! Doch je länger ich über des Bestehens, insbesondere über des Vergehens und Verblühens der Liebe nachgedenckete, umso mehr reifete in mir das unbändige Verlangen nach ewiglicher Glückseligkeit.
    Die Pflege des Unglücks, so möchte ich docieren, dienet hernach darzu, das Glück vollends zu erlangen. Denn ohne Widerwärtigkeit, Grausamkeit, Willkür, Torheit und Verbrechen - also ohne das Unglück im Allgemeinen - wüssete der Mensch nicht um das vielen versagte Glück, glücklich zu sein und sich selbst auch glücklich zu nennen.
    So begab es sich eines Tages denn auch, dass ich meiner geliebten Gräfin samt all ihren Schätzen und Kostbarkeiten sowie all ihrer Glückseligkeiten mit einem famosen Paukenschlag auf Wiedersehen sagete.
    Ich entledigete mich meiner adligen Strümpfe, indem ich sie kurtzerhande im gefüllten Suppentopfe des geschätzten Herrn Schlosskoch beherbergte. Dem geneigten Leser stehen die Haare darob zu Berge, doch ich fühlete mich frey und lief fürbass durch die duncklen Gänge.
    Meine geliebte Amelinde weilete seinerzeit nicht im Schlosse, und nach meiner Flucht aus demselbigen vernahm ich noch mehrere Male die Kunde: Nach ihrer Heimkehr wurde dem Koche aufgetragen, die Suppe zu servieren, und nach getanem Essen, das ihr sehr wohl gemundet habe, entdeckete der Küchenjunge meine triefenden Strümpf. In Amelindens Gesicht soll sich hernach der Schröcken festgesetzet haben, weswegen sie katzen- und hundeübel den

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