Bitteres Blut
mit wenigen Worten seinen ergebnislosen Besuch bei Holtkötter und den Anliegern geschildert.
»Gibt die Liste etwas her?«
»Neunundachtzig Namen. Darunter einige örtliche Firmen, bei denen nicht klar ist, wer dahintersteht. Aber ich kümmere mich darum.«
»Sie hätten bereits vor Ort diesen Holtkötter um Auskunft bitten können«, sagte Hildebrandt spitz.
»Wir kämen weiter, wenn wir das Gebiet überwachten. Heute. Morgen. Von mir aus nur die neuralgischen Punkte. Der Täter steht wahrscheinlich unter Druck. Er weiß, dass er den Porsche aus der Schusslinie bringen muss.«
»Das sind Spekulationen, mit denen wir nicht durchkommen, Kristian! Ich weiß, warum ich das sage!«
»Heißt das, Sie haben darüber mit dem Staatsanwalt gesprochen?«
»Ja«, hatte sie gesagt, ohne eine Erklärung abzugeben. Sie war aufgestanden, hatte sich ihre Handtasche über die Schulter gehängt und sich mit der Bitte, »dran zu bleiben« auf den Weg zu ihrem unaufschiebbaren Termin verabschiedet.
»Komm«, hatte Steinbrecher gesagt und ihm die Rechte in die Rippen gestoßen, »ich lad dich auf ’ne flüssige Pizza ein. Hast du Lust?«
Hatte Lorinser nicht. Dennoch sagte er nach dem erfolglosen Anruf bei Holtkötter zu, um seinen Friedenswillen zu demonstrieren.
»Noch mal was von diesem arroganten Wichser, diesem Fleestedt gehört?«
»Nein.«
»Und Krögers Tochter? Seid ihr noch zusammen?«
»Mehr denn je«, sagte Lorinser und bröselte eine ordentliche Portion von dem roten Libanesen in den Tabak. »Ich glaub, sie ist das Beste, was mir hier oben passiert ist.«
»Den Rest siehst du zu schwarz.«
»Wenn ich Farbe sehe, dann rote.«
»Vielleicht, weil du dir ganz schön was zusammenkiffst?«
»Heute brauche ich das.«
»Stimmt es, dass das Zeug gut für’s Bett ist?«
»Wenn du keine ordentliche Braut hast, hilft auch der beste Stoff nicht«, sagte Lorinser und rollte das Gemisch in zwei zusammengeklebte Papierblättchen. »Wie sieht’s mit deiner Ex aus?«
»Vergiss es«, sagte Steinbrecher angewidert. »Jetzt hat sie feuerrote Haare wie die Tusse aus ›Lola rennt‹, nur mit ’nem grünen Streifen drin. Und einen Kerl, der ist dreißig Jahre jünger als sie, dürr wie ein mumifizierter Aal und mit ’nem allzeit bereiten Dauerständer.« Er schob den Teller mit der nur angebissenen Pizza zur Seite und nahm einen Schluck Grauburgunder. »Ist ja das Einzige, was bei ihr zählt«, knurrte er zornig. »Und die Gier nach Kohle.«
Lorinser hielt ihm den Tabak hin. »Willst du?«
»Nee, lass mal, letztes Mal wurde mir richtig kalt davon.«
»Mir wird kalt, wenn ich sehe, wie wir aus Angst vor der Courage die Chancen vertun.«
»Hildebrandt muss wegen Kröger richtig was auf den Sack gekriegt haben.«
»Das ist aber kein Grund, einen Mörder laufen zu lassen.«
»Sie hat Angst, dass sie sich mit der Überwachung auch ins andere Knie schießt. Timmermans muss mit ihr ganz schön Schlitten gefahren sein.«
Lorinser zündete sich den Joint an. »Ja, ich weiß«, sagte er und sog den Rauch in die Lungen. »Immer die gleiche Arie. Wenn nicht Timmermans, dann der Staatsanwalt, und wenn der nicht, dann der Richter – irgendeinen findet man immer, hinter dem man sich verstecken kann. Schon mal was von System bedingter Feigheit gehört?«
»Ich lebe sie jeden Tag.«
»Und wie fühlst du dich dabei?«
»Irgendwann fühlst du gar nichts mehr. Du machst deinen Job, du guckst, ob du deine Kohle gekriegt hast, und du machst dir Gedanken, was du verpasst hast, ja, und so langsam denkst du darüber nach, wie es ist, wenn sie dich in die Kiste gelegt haben.«
»Pass nur gut auf, dass du nicht in einer Weltuntergangssekte landest.«
»Du bist noch zu jung, um das zu begreifen, du glaubst noch, unsterblich zu sein.«
»Ich glaub daran, dass man mindestens ein Viertel Promille Mut haben muss.«
»Mensch, die Hildebrandt begräbt gerade ihre Mutter!«
»Und den Fall, den begräbt sie auch, verflucht noch mal!«
»Mann, so schlecht stehen wir doch gar nicht da!«
»Was du nicht sagst!«
»Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«
Lorinser blickte auf. »Ja«, sagte er der dunkelhaarigen Kellnerin, »bringen Sie mir einen doppelten Espresso. Trinkst du einen Tequila mit, Franz?«
»Nur unter Schmerzen«, sagte Steinbrecher und verzog den Mund zu einem traurigen Grinsen.
»Also einen doppelten Espresso und zwei Tequila«, sagte Lorinser, und als die Kellnerin gegangen war: »Wieso stehen wir gar nicht so schlecht
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