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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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sind sie schwarz, begreifste?«
    »Das kann mit der Technik zu tun haben und mit dem Dreck, den sie jetzt Feinstaub nennen, der sich im Laufe der Zeit wie Schmiere auf die Linse gesetzt hat.«
    »Und wenn nicht? Wenn es der Täter ist?«
    Steinbrecher schien die Luft anzuhalten. Nicht so das Gewitter. Direkt über dem Haus zuckte ein weißgelb-violetter Blitz. Lorinser zog unwillkürlich den Kopf ein. Und als der Donner Bruchteile von Sekunden folgte, hatte er das Gefühl, aus dem Sitz gehoben zu werden. Dachziegel schlugen auf den überfluteten Hof.
    »Bist du noch dran?«, fragte Lorinser mit einem Blick auf das Haus. Aber erkennen konnte er nichts. Nicht, was sich auf dem Dach abgespielt hatte. Vorsichtshalber legte er den Rückwärtsgang ein.
    »Ja, bin ich«, bellte Steinbrecher, als müsste er Schleim aus der Kehle husten. »Und das kriegen wir hin. Wir legen die Folien der Gesichtskonturen einfach übereinander und fertig. Das ist’ne leichte Übung. – Hört sich ja an, als wärste im Krieg.«
    »Im Blitzkrieg, wenn schon«, sagte Lorinser und sog an der Zigarette.
    »Diese scheiß Kriege«, sagte Steinbrecher. »Meistens sind es nichts weiter als Missverständnisse. Weil man nicht redet. Nicht miteinander, immer übereinander, immer aneinander vorbei, alswenn man ’n Rohr vorm Maul hätte. Vorne rein, hinten raus. Und kein Schwein versteht, was man da hineinbläst. Oder versteht es falsch, oder glaubt, dass man einem an die Karre will. Aber das will man gar nicht. Ich nicht, verstehste?«
    »Ja.«
    »Ich will keinen Krieg. Nicht mit dir.«
    »Den haste ja auch nicht. Nicht wirklich.«
    »Wir sollten mal vernünftig drüber reden.«
    »Ja«, sagte Lorinser, während eine ganze Reihe von Blitzen den schwarzgrauen Himmel zerhackte, »das sollten wir. Rufst du mich an?«
    »Ich ruf dich an«, sagte Steinbrecher. Seine Stimme klang, als wäre ihm ein ganzer Sack voller Steine vom Herzen gefallen.
    Er hatte angerufen. Nur eine halbe Stunde später. Die Zeit hatte Lorinser genutzt, sich Holtkötters Liste anzusehen, die mit A wie Aalmeyer, Heinrich begann und mit Urgayev, Valerie endete. Drei Firmennamen. Alle aus der Gegend: Lemförder Polyurethantechnik GbR, W. Heger, Garten & Landschaftsbau, MS-Consult, Ihr Partner in Finanzdienstleistungen. Bei keiner ein Hinweis auf die Inhaber. Aber das Gewitter hatte sich glücklicherweise überraschend schnell in Richtung Osten verzogen und einem sanften, von einer fahlen Sonne durchleuchteten Landregen Platz gemacht, dessen dünne Fäden glasig in den von der Straße aufsteigenden Dunst fielen. Triumph in Steinbrechers Stimme. Vielleicht auch Bewunderung. »Volltreffer«, hatte er gejubelt. »Mitten aufs Blatt. Wer immer das ist, Böse kann es nicht sein. Gratuliere, Kollege!«
    Gratuliert hatte auch Hildebrandt. Sozusagen zwischen Tür und Angel, weil sie einen unaufschiebbaren Termin wahrzunehmen hatte. Obendrein recht freudlos und auf eine neue, resignative Art. Kein Wort der Anerkennung, kein Lob. In den Augen die Schatten der Erkenntnis, dass gegen das Glück der Glückspilze kein Zauberpulver gestreut werden kann. Dabei fühlte Lorinser sich garnicht glücklich. Hätte er seinen Zustand beschreiben müssen, wäre das Wort »Ernüchterung« gefallen. Ernüchterung darüber, wegen einer nicht sorgfältig genug geprüften und falschen Spur auf den Holzweg geschliddert zu sein. Tröstlich nur, dass Hildebrandt ihn nicht erneut zum Lottospielen aufgefordert hatte.
    »Nun gut«, hatte sie ohne sichtliche Anteilnahme gesagt und dabei ihren Baumarktkugelschreiber über den vor ihr liegenden Vergleichsfolien kreisen lassen, »wir wissen jetzt, dass wir es nicht mit Böse, sondern mit einem Unbekannten, mit dem mutmaßlichen Täter zu tun haben. Vielleicht mit einem Mittäter, vorausgesetzt, wir haben es mit mehreren zu tun. Die Frage, um wen es sich handelt, können wir mit diesem diffusen Material offensichtlich nicht beantworten. Oder lässt sich da noch etwas machen?«
    »Ende der Fahnenstange«, hatte Steinbrecher gesagt. »Die Kamera hat wegen der verschmutzten Optik einfach nicht mehr aufzeichnen können. Hinzu kommt das ausgenudelte VHS-Band … Nee, wo nichts ist, kann auch nichts herausgeholt werden.«
    »Das heißt, im Grunde stehen wir genau da, wo wir gestanden haben?«
    »Identifizieren können wir die Person im Augenblick jedenfalls nicht.«
    Sie hatte sich an Lorinser gewandt. »Sind Sie weitergekommen?«
    »Nicht wirklich«, hatte Lorinser gesagt und

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