Bitteres Blut
wie ein Hausierer, der zwar keine Tür ausgelassen, aber auch keinen Knopf verkauft hat. Ob Hightechbauer oder Rentnerin, im Kern hatten sie das Gleiche gesagt: Der Fall sei ihnen zwar bekannt und von dem gelben Porsche habe man in der Zeitung gelesen, aber gesehen, nein, gesehen habe man ihn nicht. In den sich im Misstrauen gleichenden Gesichtern die stille Empörung zu Unrecht unter Verdacht Genommener: Wir sind hart arbeitende, anständige Menschen, Sie glauben doch nicht etwa, dass … Menschen so verschlossen wie die lehmige Erde, die sie mit ihren Hochleistungsmaschinen beackerten.
Fürwahr, ein harter Tag.
Und so rabenschwarz wie der plötzlich verfinsterte Himmel, aus dem zornige Blitze zuckten und noch zornigerer Donner grollte. Der Gott der Gerechtigkeit schien ob der desolaten Entwicklung des Falles einen Koller gekriegt zu haben. Wasserfallartig fiel der Regen auf das Land, trommelte dröhnend auf das Dach der Isabella und stanzte faustgroße Krater in die über die Straße schäumende Flut. Lorinser hatte das Gefühl, im Inneren einer mit schweren Knüppeln bearbeiteten Trommel unter der Wasserlinie zu sitzen. Vor ihm die beschlagene Windschutzscheibe, über die der Wischer vergeblich die Flut planierte. In Kopf und Bauch der verzweifelte Wunsch, endlich einen Platz zwischen den windgepeitschten Bäumen zu finden, auf dem er das im Schritttempo lahmende und nur schwer zu navigierende Auto abstellen konnte. Was kam, war ein dunkler Schatten, der bedrohlich aus der grauen Wand aus Wasser und Dunst schoss. Tanzende Lichtfinger, begleitet von einem dröhnenden Rauschen, schoben sich auf die Isabella zu. Ein Wasserschwall, von den schweren Reifen des Lastwagens aufgeworfen, klatschte gegen die Seitenfront des eher schwimmenden als fahrenden Autos, gischtete über die Windschutzscheibe und nahm ihm für Sekunden nicht nur vollends die Sicht, sondern, wegen des Schrecks, auch den Atem.
Das Telefon läutete und begann, als das Vibrieren einsetzte, seinen Drehtanz auf der Ablage. Lorinser war versucht, danach zu greifen, behielt aber aus Angst, die Kontrolle über den Wagen zu verlieren, die Hände am Steuer. Er starrte weiter in die graue Wand des Unwetters und versuchte, das Auto in der Spur zu halten. Endlich entdeckte er eine Einfahrt, steuerte den Wagen hinein und bremste erleichtert ausatmend vor einem grauen Garagentor. Mit zitternden Händen zündete er sich eine Zigarette an, inhalierte tief und lehnte sich zurück. Er fühlte sich wie einer, der noch nicht ganz davongekommen ist. Nicht nur, weil die Blitze bedrohlich nahe zuckten, sondern auch, weil das durch die mürben Scheibendichtungen eindringende Wasser nach weiteren kostspieligen Investitionen in das alte Blech schrie. Dennoch fragte er sich, wieso die Überwachungsfotos der Tankstelle den hellblonden Böse mit schwarzen Haaren zeigten.
Lag das an der schlampigen Wartung der veralteten VHS-Anlage? Dass sie ihre Bilder schwarz-weiß lieferte? An den Lichtverhältnissen? Hatte ein Schatten die Tatsachen verfälscht? Hatte Böse sich eine eng anliegende Mütze aufgesetzt? Oder, schoss es Lorinser heiß durch den Kopf, haben wir es bei der Person gar nicht mit dem Opfer , haben wir es mit dem Täter zu tun?
Er angelte nach dem Telefon. »Anonymer Anrufer« stand auf dem Display. Katta? Vielleicht. Aber das war jetzt egal. Er rief Steinbrecher an. »Wie«, schrie er gegen den Donner und das Getrommel des Regens an, »kriegen wir heraus, ob die Person auf den Fotos Böse ist?«
»Wieso müssen wir das herauskriegen? Das wissen wir doch!«
»Wirklich, Franz? Wissen oder glauben wir es?«
»Wieso brüllst du mich so an?«
»Ich brüll dich nicht an! Ich sitze mit einem nassen Arsch in einem verfluchten Gewitter und werde demnächst entweder von einem Blitz erschlagen oder, was noch schlimmer ist, in den Fluten ersaufen.«
»Also hier tröpfelt’s nur.«
»Mann, das ist doch scheißegal! Ich habe dir eine Frage gestellt! Gibt es irgendwelche Möglichkeiten, sicherzustellen, dass wir es auf den Fotos mit Böse zu tun haben? Mit einem Abgleich der Gesichtsform, der Ohren, der Brauen, der Kinnform und was es da sonst noch gibt. Ist das zu machen, ich meine, mit unseren Mitteln?«
»Darf ich fragen, wie du plötzlich darauf kommst?«
»Weil ich mit einem John-Wayne-Abziehbild zu tun hatte. Mit Westernstiefeln aus imitiertem Schlangenleder und Haaren wie Schnee, die auch auf seinen Fotos weiß waren. Böse hat auch helle, aber auf den Fotos
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