Bitteres Blut
Sonntag auf Montag?«
»Wir haben uns natürlich auch schon gefragt, ob wir was Ungewöhnliches gehört haben. Mal ein Motorrad, mal ein Auto. Man steht ja nicht dauernd am Fenster und guckt, was sich da draußen tut. Ich würde sagen, es war nicht viel anders als sonst, obwohl … Hemlock schlug einmal ganz wild an und war gar nicht zu beruhigen. Unser Hund«, fügte er hinzu, als er Lorinsers fragenden Blick bemerkte.
»Ist das ungewöhnlich?«
»In der Weise schon.«
»Wann war das?«
»Wir sind uns nicht einig. Mein Lebensgefährte und ich, meine ich. Er ist ziemlich sicher, dass es gegen drei war. Ich meine, es war eher früher. Wir hörten ein Motorrad. Nicht laut. Könnte ganz gut am Deich gewesen sein.«
»Was macht Sie so sicher, dass es ein Motorrad gewesen ist?«
»Autos hört man doch kaum noch, so leise, wie die sind.«
»Könnte es auch ein Ferrari gewesen sein?«
»Auf keinen Fall. Den Sound kenne ich. Im Ort gibt’s jemanden, der einen fährt. Nein, Ferrari schließe ich aus.«
»Porsche?«
»Das haben wir auch überlegt, das heißt, Frank war überzeugt, dass es ein Porsche gewesen ist. Aber da wussten wir schon, dass es um Böse ging, der ja einen besaß.«
Besaß .
»Hatten Sie mit ihm zu tun?«
Burfeind senkte den Blick. Angenehm schien ihm die Frage nicht zu sein. Er streichelte den Kopf des Hundes, der zwischen seinen Beinen lag. »Er war sogar mal hier, um sich Bilder anzusehen.« Er seufzte theatralisch und berichtete, dass er zusammen mit seinem Lebensgefährten eine erfolgreiche Galerie für erotische Kunst betreibe. »Ein kleines Ladengeschäft in Osnabrück, aber hauptsächlich als Präsenz im Internet. Böse hat eines unserer Bilder bei einem Kunden in Stemshorn gesehen und wollte auch eines haben.«
Lorinser erinnerte sich an das aufreizende Bild mit der Schlange im Büro des Rennstallbetreibers. »Kröger?«
»Ja, Olli Kröger. Er hat bei uns einige Objekte gekauft. Und ist übrigens auch der Besitzer des Ferrari.«
Unter anderem, dachte Lorinser. »Wie oft war Böse bei Ihnen?«
»Zwei, drei Mal.«
»Schon länger her?«
Burfeind schüttelte den Kopf. In seiner Stimme lag Trotz. »Letzte Woche erst. Donnerstag. Frank hat ihn eingeladen. Er hat sich wieder mal einige Motive angesehen. Zum Essen ist er auch geblieben, aber …« Er rieb, resigniert die Schultern hebend, Daumen und Zeigefinger gegeneinander. »Na ja, er hatte es angeblich eilig und konnte sich wieder mal nicht zum Abschluss durchringen.«
»Die Beziehung zu ihm war rein geschäftlich?«
Hund und Burfeind hoben gleichzeitig die Köpfe. Der Hund schien etwas zu wittern.
»Wir lernen unsere Kunden in der Regel über Empfehlungen kennen, bei privaten Anlässen, Parties et cetera. Da ist nichts rein geschäftlich.«
»Würden Sie sagen, die Beziehung ist freundschaftlich?«
»Beziehung!« Burfeind stieß heftig den Atem aus. »Wenn Sie eine erotische oder gar sexuelle meinen, liegen Sie falsch. Die gab es nicht, und die hätte es auch nicht gegeben. Der ist anders gepolt. Wie gesagt, ich habe ihn auch nicht eingeladen. Frank fand ihn ganz nett. Aber nicht so, wie Sie unterstellen. Wir leben hier out of the rim , wenn Sie verstehen, was ich meine. Frank kommt damit nicht so gut zurecht und hoffte, über Böse mehr Kontakte ins Dorf zu bekommen. Das ist alles.«
Ausgerechnet über den immer in Geldnöten steckenden Böse, dessen Ruf nicht nur wegen seiner amourösen Attacken auf das Selbstverständnis der männlichen Einwohner einer mit mehreren Echos war? Lorinser zweifelte. Auch deshalb, weil ihm die Gesänge über die außergewöhnliche Attraktivität des Verschwundenen noch in den Ohren klangen. Die sichtbare Nervosität Dieter Burfeinds, dessen trotzige, bisweilen unkontrollierte Stimme ließen auch ein anderes Szenarium denkbar erscheinen. Eines, in dem er die Rolle des Aufgebrachten und Eifersüchtigen gespielt hatte. Out of the rim konnte so verstanden auch mit »am Rande des Erträglichen« übersetzt werden. Mit der Möglichkeit eines Kurzschlusses, der eine emotionale Explosion auslöst. Über genügend Muskeln, um einen Kerl wie Böse an den Hals des bronzenen Großvaters zu hängen, verfügte der Zweimetermensch sicherlich.
»Vorhin sagten Sie, Sie wüssten über Böses Ruf Bescheid.«
»Die negativen Geschichten hört man immer zuerst, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Es braucht ja auch nicht viel, um in einer solchen Gemeinde unten durch zu sein.«
»Dennoch hielten
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