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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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Sie den Jungen für einen geeigneten Türöffner in die Gesellschaft?«
    »Nicht ich.«
    »Ihr Lebensgefährte.«
    »Ja. Aber er hat inzwischen auch seine Lektion gelernt. Dass seit Jahrhunderten gewachsene Vorurteile sich nicht auflösen lassen. Nicht so schnell jedenfalls. Wir leben auf einer Insel, und da werden wir auch sterben. Für die meisten sind wir doch Abartige, die rund um die Uhr mit ’nem Steifen hinter knackigen Ärschen herlaufen.«
    »Wenn Ihre Flamme noch nicht erloschen ist, werden die Sie auch nicht ganz kalt werden lassen, denke ich. Oder Ihren Partner.«
    »Die Sexualität ist nun mal der stärkste Trieb des Menschen, gleichgültig, wie man insoweit orientiert ist. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
    »Ich will wissen, wo Thorsten Böse steckt.«
    »Bei uns jedenfalls nicht.«
    »Und er hatte auch keine sexuelle Beziehung zu Ihrem Partner?«
    Burfeind schüttelte entschieden den Kopf.
    »Befürchteten Sie, dass zwischen Ihrem Lebensgefährten und Böse eine hätten entstehen können?«
    Burfeind lachte bitter auf. »Warum sagen Sie nicht, dass Sie ein blutiges Eifersuchtsdrama vermuten? Ist ja so einfach, nicht? Mein Partner verknallt sich in den Böse, ich drehe durch und räume, weil ich obendrein auch nicht die Folgen abschätzen kann, mit ihm gleichzeitig meine Verlustängste aus der Welt.«
    »Klingt überzeugend.«
    »Sie glauben wohl, wir hätten mit der Sache zu tun?«
    »Haben Sie?«
    »Ganz bestimmt nicht!« Burfeinds Gesicht zerfiel in eine Landschaft der Verzweiflung. Die Augenpartie schien sich gegen eine Schmerzwelle zu wehren. Der Mund, eben noch die Quelle seiner giftig hinausgeschleuderten Worte, verzerrte sich und entblößte starke, teefleckige Zähne. Beide Hände griffen nach der Tischkante und hielten sich dort wie an einem Rettungsring fest.
    »Es klingt deshalb überzeugend«, sagte Lorinser leise, »weil Sie im Gegensatz zu uns den Tod Böses als gegeben voraussetzen.«
    »Hollenberg hat das behauptet, nicht ich. Ich habe mit der Sache nichts zu tun, ich habe lediglich eine … Mein Gott, Sie glauben doch nicht wirklich, dass wir … dass ich … zu einer solchen Tat fähig wäre?«
    Ach, immer wieder die alte Geschichte mit dem Glauben. Wer glaubt schon, dass eine Frau von dreiundsiebzig Jahren nach fünfzigjähriger Ehe ihrem schlafenden Ehegatten einen dicken Nagel in den Kopf hämmert und damit umbringt? So jung Lorinser war, so müde war er, die in den Seminaren gelernte Antwort zu geben. Dass der Glaube in die Kirche gehört und dass Kriminalistik eine Sache der Tatsachen und sonst nichts ist. Tatsache war, dass Burfeind sich aus Gründen, die mit den negativen Erfahrungen seines Schwulseins und mit dem latenten Druck der Vernehmung zu tun haben mochten, zur Schilderung eines möglichen Tathergangs hatte provozieren lassen. Was ihn dazu veranlasst hatte, musste zwar bis zum Auftauchen handfester Verdachtsmomente den Zufälligkeiten der Rhetorik zugeordnet werden, aber nicht ungehört verhallen. Lorinser warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
    Bis Paula waren es noch gute zwei Stunden. Hoffentlich hildebrandtfrei. Katta rührte bestimmt schon in den Töpfen. Nach nikotinhaltigem Rauch, der, dem Geruch nach zu urteilen, in Burfeinds guter Stube verpönt war, jieperte er auch.
    Er stand auf und sah fasziniert zu, wie Burfeind aufstand und sein blasses Gesicht sich bis unter die Querbalken des Wohnzimmers schraubte. Dabei blieben die weit aufgerissenen Augen erschrocken auf ihn gerichtet. Möglicherweise fürchtete er seine Festnahme.
    »Schauen Sie mal bei Goethe rein«, sagte Lorinser, »den Sie da im Schrank stehen haben. Bei dem erfahren Sie, dass er sich so ziemlich jede Schweinerei zutraute. Und wissen Sie auch, warum?«
    »Sagen Sie’s mir.«
    »Er kannte die Menschen. Und er kannte sich.«
    »Wenn das alles ist …«
    »Ist es«, bestätigte Lorinser. »Aber sagen Sie mir bitte noch, wann ich Ihren Lebenspartner sprechen kann.«
    »Ich hole ihn um sieben vom Bahnhof ab. Wollen Sie etwa so lange warten?«
    Lorinser zog eine Visitenkarte. »Er soll mich doch bitte anrufen. Morgen während der Dienstzeit.«
    »Ich werde es ihm ausrichten«, sagte Burfeind. Lorinser hatte den Eindruck, als atmete da einer erleichtert aus.

6
    Paula schmiedete nicht nur Metall, sie sammelte auch kuriose Uhren. Eine von ihnen, ein fettes Plastikwildschwein, dessen winzige Elektroaugen die Dunkelheit des Schlafzimmers rot durchglühten, grunzte mit blecherner Computerstimme

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