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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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unterbrochen von wütend herausgeblasenen Verbalinjurien, die jeden Sprachforscher in Entzücken versetzt hätten. Die ihm aber auch Erleichterung verschafften, sodass Steinbrecher letztlich seelisch befreit wie nach einer Sitzung beim Therapeuten nachgab und sich bereit erklärte, nicht nur die verdammte Akte zu suchen, sondern auch Fleestedt zu empfangen, um sie mit ihm durchzusehen.
    Konnte man mehr vom Leben erwarten? Das Wetter war eine Pracht. Der Fahrtwind strich angenehm kühl in die Isabella, deren Motor perfekt wie ein Uhrwerk lief. Im Fundus seines Handschuhfachs hatte er eine noch nie gespielte Kassette von Johnnyand the Hurricanes gefunden, eine scheinbar aus der Zeit der alten Pharaonen stammende Band, die jedoch eine höchst belebende Musik aus den Anfängen der elektronischen Verzerrung lieferte. Ihr »Red River Rock« rockte, und die Straße nach Dauhorst, dem winzigen Ort hinter Brockum, in dem der Urheber der zittrig gemalten Zuschrift lebte, war so leer, als schiene der Mond und nicht die Sonne.
    Aber der Verfasser des Briefes, Albert Rolf Messmann, schien zu dem Typus Mann zu gehören, der seinen Mund nur zu den Mahlzeiten aufbekommt. Die Augen starr auf einen Punkt neben Lorinsers Schulter gerichtet, die Rasenschere wie eine schussbereite Pistole angeschlagen, hörte er sich inmitten seines verwunschenen Vorgartens Lorinsers Geschichte an, ohne erkennen zu geben, ob er sie verstanden hatte. Erst als Lorinser ihm den mit zittriger Hand geschriebenen Leserbrief zeigte, blitzte so etwas wie Erkennen in den trüben Augen des alten Mannes auf.
    »Ja, das war der Montag, um sieben Uhr etwa, ja, und es war genau der Porsche, der in der Zeitung stand. Der Rüpel hat mich fast überfahren, so rücksichtslos, wie der da langgerast ist.«
    »Wohin könnte der Wagen gefahren sein, Herr Messmann?«
    »Wohin?« Messmann hob die Schultern. »Viel gibt es da nicht. Weiter hoch, da sind Bauernhöfe und vereinzelte Anwesen, die von Auswärtigen aufgekauft worden sind, weil die da ihre Pferde laufen lassen können. Auf Düversbruch und den Fürlinger Bruch zu. Nein, wo der Tote hingefahren sein könnte, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.«
    »Wie kommen Sie dann darauf, dass Böse den Wagen fuhr?«
    »Wie ich darauf komme?« Messmann fasste sich an die Stirn, starrte vor sich hin, wieder den grüblerischen Zug um die Augen. »Ja, wenn das doch sein Wagen war?«
    »War nur eine Person an Bord?«
    Messmann presste die Lippen aufeinander und schwieg. »Ich glaube schon, dass es so war«, quetschte er sich schließlich ab.
    »Sind Ihnen an diesem Montagmorgen noch andere Menschen in der Nähe des Moorwegs aufgefallen? Vielleicht Bauern, Wanderer, Autos oder Radfahrer oder Spaziergänger?«
    »Ich hab nur den Silowagen von der Behla Mühle gesehen, dem Kraftfutterwerk in Vechta.«
    Lorinser notierte die Angaben und verabschiedete sich. Ein Durchbruch war die Beobachtung Messmanns zwar nicht, aber sie bestätigte die Aussage der jungen Bersenbrück, die den Porsche kurz vorher im nahen Brockum gesehen hatte. Wer auch immer den Wagen gesteuert hatte, er hatte es offensichtlich in der Absicht getan, ihn verschwinden zu lassen. Und ein Moor, sagte sich Lorinser, ist dafür sicherlich nicht der schlechteste Platz.
    Als er wieder in der Isabella saß und die Johnny-and-the-Hurricanes-Kassette zurückspulte, um sich den fetzig gespielten »Red River Rock« noch mal anzuhören, hatte er angesichts der flachen Landschaft wieder einmal den Eindruck, sich im Wilden Westen zu befinden. Nur dass anstelle des Marshalls ein mit überhöhter Geschwindigkeit fahrender Toyota sich auf der Main Street breitmachte.
    Als die Musik einsetzte, klingelte sein Telefon.
    Es war Steinbrecher, der ihm aufgeregt mitteilte, dass der Sack jetzt zu sei. Für Kröger, diesen »scheinheiligen Heiligen«. »Der Kerl hat uns faustdicke Lügen aufgetischt!«, bellte er mit triumphaler Munterkeit. »Seine Einlassung, er sei am Montagmorgen aus dem Urlaub gekommen, ist falsch. Richtig ist, dass er bereits am Sonntag in Damme gelandet ist. Exakt um neunzehn Uhr neunundvierzig. Und zwar alleine, Kristian. Die Maschine ist wenig später wieder gestartet und nach Sylt zurückgeflogen. Es war seine Frau, die am Montagmorgen zurückgekehrt ist. Verstehst du den Dreh?«
    »Das bringt ihn jedenfalls in arge Erklärungsnöte.«
    »Erklärungsnöte?« Steinbrecher lachte triumphierend auf. »Damit ist er alle! Aber es kommt noch besser: Kröger hat

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