Bitteres Geheimnis
anfassen lassen.« Sie strich sich mit einer Hand über die Brust. »Ich hab Mike nie erlaubt, daß er - daß er was anderes tut.«
»Und doch bist du schwanger.«
Sie hob den Kopf. »Dagegen kann ich nur sagen, daß ich es nicht bin. Sie werden schon sehen, daß Sie sich geirrt haben, wenn nichts passiert.«
»Es wird aber etwas passieren, Mary. Dein Bauch wird dicker werden, und dann mußt du es eingestehen.«
Mary lachte nur. Das war ja alberner als ein Streit mit Amy.
»Mary«, sagte Dr. Wade langsam, »glaubst du mir, wenn ich dir sage, daß ich dein Freund bin und nur dein Bestes will?«
»Ja.«
Ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden, sagte er: »Ich muß es deinen Eltern sagen.«
»Okay.« Mary wies mit einer Hand zur Tür. »Holen Sie doch meine Mutter gleich herein. Sie sitzt im Wartezimmer.«
Jonas Wade hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen. An diesem Punkt brachen sonst selbst die hartnäckigsten Mädchen zusammen.
»Was wird deine Mutter denn sagen, wenn sie hört, daß du schwanger bist?«
»Sie wird es nicht glauben. Sie weiß, daß ich so was niemals tun würde.«
»Bist du da ganz sicher?«
Mary neigte den Kopf leicht zur Seite. Ihr Blick war offen und unschuldig. »Aber natürlich. Meine Mutter weiß, daß ich sie nicht belügen würde.«
»Und dein Vater?«
»Genauso.«
Jonas Wade nickte bedächtig und überlegte einen Moment. Dann drückte er auf einen Knopf seiner Sprechanlage und bat die Sprechstundenhilfe, Lucille McFarland hereinzuführen.
Als Lucille ihm gegenüber Platz genommen hatte, nahm er sich einen Moment Zeit, um sie zu mustern und sich ein Bild von ihr zu machen. Sie war eine gutaussehende Frau, sonnen gebräunt und schlank. Das Gesicht war nur dezent geschminkt, das tizianrote Haar allerdings hielt er für gefärbt. Scharfe blaue Augen, denen ihrer Tochter sehr ähnlich. Die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter war stark; Lucille mußte in ihrer Jugend so hübsch gewesen sein wie Mary. Jetzt, Anfang Vierzig, verrieten die scharfen Falten in ihrem Gesicht, daß sie zu viel Zeit in der Sonne verbrachte. Ihre Kleidung war teuer und konservativ, ihr Verhalten war selbstsicher und gewandt. Jonas Wade hatte das deutliche Gefühl, daß dieses Gespräch nicht einfach werden würde.
Er räusperte sich, berichtete dann kurz von den Routineuntersuchungen, die gemacht worden waren, von seiner eigenen Untersuchung Marys und kam dann vorsichtig zum kritischen Punkt.
»Aufgrund gewisser körperlicher Symptome, die Ihre Tochter zeigte, Mrs. McFarland, sah ich mich genötigt, zusätzliche Untersuchungen durchzuführen. Die Befunde dieser Untersuchung liegen mir jetzt vor, und sie sind eindeutig.«
Lucille nickte. »Was fehlt meiner Tochter, Dr. Wade?«
»Alle Befunde weisen auf eine Schwangerschaft hin, Mrs. McFarland.«
Einen Moment war es ganz still. Dann rief Lucille: »Was?« und wandte sich abrupt ihrer Tochter zu.
»Es stimmt nicht, Mutter. Ich habe Dr. Wade gesagt, daß die Befunde falsch sind. Ich habe nie etwas getan -«
Jonas Wade beobachtete Mary scharf, während sie mit ihrer Mutter sprach, und wieder verblüffte ihn ihre Gelassenheit und ihre Sicherheit. Vielleicht, dachte er, glaubte das Mädchen wirklich, was sie sagte.
»Gut«, sagte Lucille kurz, die sich sofort wieder gefaßt hatte. »Die Befunde müssen falsch sein, Dr. Wade, da meine Tochter sagt, daß eine Schwangerschaft ausgeschlossen ist.«
Jonas Wade seufzte und wünschte, er säße zu Hause vor dem Fernseher. »Mrs. McFarland, unser Labor hat zweimal den Froschtest durchgeführt. Beide Male waren Schwangerschaftshormone in Marys Urin feststellbar. Sie hatte seit Ostern keine Menses mehr. Ihre Brust spannt und ist sehr empfindlich. Sie leidet an morgendlicher Übelkeit. Ich glaube nicht, daß ich mich täusche.«
Wieder trat Schweigen ein. Lucille wandte sich wieder Mary zu und sah sie eindringlich an. »Sag mir die Wahrheit, Mary, hast du -«
»Nein, Mutter! Wirklich nicht! Er täuscht sich. Ich hab nie so was getan.«
Lucilles kalter Blick ruhte auf dem Gesicht ihrer Tochter, während sie sprach. »Dr. Wade, haben Sie eine gynäkologische Untersuchung bei meiner Tochter gemacht und festgestellt, ob sie unberührt ist?«
Oh, oh, dachte Jonas Wade, während er geduldig antwortete: »Nein, Mrs. McFarland, das habe ich nicht getan. Es bestand kein Anlaß dazu, als ich Ihre Tochter untersuchte.«
Lucille drehte den Kopf und sah ihn mit ihren harten blauen Augen an. »Jetzt wäre
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