Bitteres Geheimnis
mitgeteilt hatte, Nathan Holland aufzusuchen, hatte sie mit keinem Wort reagiert.
Ted fühlte sich kaum besser als Lucille. Er hatte so starke Kopf schmerzen wie schon lange nicht mehr, sein ganzes Leben erschien ihm plötzlich sinnlos und verfehlt.
Er legte einen Moment den Kopf aufs Steuerrad und erinnerte sich mit einem scharfen Stich des Schuldbewußtseins an den vergangenen Abend. Lucille war schon eingeschlafen gewesen, als das Telefon geläutet hatte. Es war Amy gewesen, die wissen wollte, ob etwas passiert sei. Der Firmunterricht war schon seit einer halben Stunde aus, und Mama war immer noch nicht gekommen, um sie abzuholen.
Ted hob den Kopf vom Steuerrad und kniff die Augen zu. Amy, wir haben dich vollkommen vergessen ...
Der ganze Abend war so schrecklich und unwirklich gewesen, wie ein böser Traum. Er wünschte, er hätte ihn einfach vergessen können. Aber er wußte auch, daß im Erinnern das Gefühl war, und das Gefühl gab ihm den Willen und die Kraft weiterzumachen. Er mußte mit Nathan Holland sprechen. Das war der einzige logische nächste Schritt. Vielleicht würden sie gemeinsam eine Lösung finden.
Als sich die Haustür plötzlich öffnete, fuhr Ted zusammen. Er zog den Zündschlüssel ab und sprang aus dem Wagen.
»Hallo, Nat.« Er winkte kurz.
Nat lachte. »Ich dachte doch, ich hätte Sie vorfahren gehört. Kommen Sie rein.«
Ted hatte Nat gleich nach dem Aufstehen angerufen, um diesen Termin mit ihm zu vereinbaren. Als Nat vorgeschlagen hatte, er solle zu ihm ins Büro kommen, hatte Ted erklärt, er zöge es vor, mit ihm allein zu sein. Daraufhin hatten sie ausgemacht, daß sie sich um elf bei Nat treffen würden.
»Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte Ted nach der Begrüßung.
»Aber das ist doch selbstverständlich.« Nat schloß die Haustür und ging seinem Gast ins kühle Wohnzimmer voraus. »Ich war heute morgen schon im Büro und nehme mir jetzt eine lange Mittagspause. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
»Ja, gern. Sind die Jungen zu Hause?«
Nat, der schon auf dem Weg zur Küche war, drehte sich kurz um. »Mike und Matt sind in der Schule, aber heute ist früher Schluß, weil morgen der letzte Schultag ist. Ich denke, die beiden werden gegen Mittag heimkommen.«
»Ja ...« Ted sah sich zerstreut im. Wohnzimmer um. »Ich weiß «Er ging zum Sofa und setzte sich. »Und wo ist Timothy?« rief er.
»Der ist bei den Nachbarn, beim Schwimmen. Er hat ja schon seit einer Woche Ferien. Ich komme sofort, Ted, machen Sie es sich bequem.«
Der Rat war gut gemeint, aber Ted war so angespannt, daß er wie auf Kohlen saß. Lucilles Worte vom vergangenen Abend wollten ihm nicht aus dem Kopf. »Du bist ihr Vater. Tu etwas, damit sie dieses Ding los wird.«
Er hatte nicht die Absicht, einen solchen Weg einzuschlagen. Gestern abend war es ihm, vom Scotch benebelt, beinahe wie eine Erlösung erschienen; schnell und heimlich das Leben im Keim ersticken, ehe es aufblühen konnte. Fort mit dem Schmutz, ehe andere auch nur ahnen können, daß er da ist. Aber im nüchternen Licht des Morgens hatte Ted bei der Vorstellung einer Abtreibung nur Abscheu empfunden, und er war überzeugt, daß auch Lucille die Ungeheuerlichkeit ihrer Worte bewußt geworden war.
Als Nat mit dem Tablett kam, auf dem Kaffee und Kuchen standen, riß Ted sich zusammen und sah ihm lächelnd entgegen.
»Es ist schön, Sie mal wieder zu sehen«, sagte Nat. »Wie geht es Lucille und den beiden Mädchen?«
»Oh - gut. Und Ihnen und den Jungen?«
»Könnte nicht besser sein.«
Ted trank einen Schluck von seinem Kaffee, dann umfaßte er seine Tasse mit beiden Händen und sah den Mann an, der ihm gegenüber in einem tiefen Sessel Platz genommen hatte. Nathan Holland war ein großer, robuster Mann Anfang Fünfzig mit einer weißen Löwenmähne und einer tiefen Bassstimme, die einem Sänger oder Schauspieler hätte gehören können.
»Was macht das Versicherungsgeschäft, Nat?«
»Ich kann mich nicht beklagen. Und die Börse?«
Ted starrte stirnrunzelnd in den dampfenden Kaffee. So konnte das nicht weitergehen. Er setzte seine Tasse nieder und sah Nat direkt in die grauen Augen.
»Ich bin nicht aus geschäftlichen Gründen hergekommen, Nat. Es ist leider eine sehr ernste Sache.«
Nat nickte nur.
»Ich habe ein schlimmes Problem, Nat, und ich möchte Ihnen sagen, daß dieser Gang mir nicht leichtgefallen ist.«
Nat stellte seine Tasse auf den Tisch und sah sein Gegenüber ernst an. »Was
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