Bitteres Geheimnis
zu haben; die Empfängnis, erklärte sie, hätte während eines Bombenangriffs im Krieg stattgefunden. Dr. Stanlex Balfour-Lynn vom Queen Charlotte Maternity Hospital und Dr. Helen Spurway Dozentin für Eugenik am University College in London, hatten den Fall aufgegriffen und durch ihre Untersuchungen Genetiker und Embryologen auf der ganzen Welt aufmerksam gemacht.
Die Behauptung der Frau konnte nur durch Blut- und Serumuntersuchungen an der Tochter sowie durch eine langzeitliche Hautverpflanzung bestätigt oder widerlegt werden. Hautverpflanzungen von einem Menschen auf einen anderen waren einzig bei eineiigen Zwillingen möglich; in allen anderen Fällen wurde die fremde Haut abgestoßen, auch wenn es sich um Mutter und Kind handelte, da die Zellen des Kindes immer auch Antigene des Vaters enthielten.
Die Chromosomenuntersuchungen erwiesen, daß die genetische Struktur bei Mutter und Tochter identisch war. Jedoch die Hautverpflanzung gelang nicht. Dies allerdings sei kein schlüssiger Gegenbeweis, erklärten die Befürworter der Parthenogenese; das Misslingen der Verpflanzung könne alle möglichen Komplikationen zur Ursache haben und sei nicht eindeutig auf das Vorhandensein männlicher Antigene zurückzuführen.
Jonas nahm sich noch einmal den Lancet vom 5. November 1955 vor. Diese hochangesehene englische Fachzeitschrift hatte sich in einem eingehenden Bericht mit der Kontroverse befaßt, und der Autor hatte widerstrebend zugeben müssen, daß »wir unsere Überzeugung, spontane Parthenogenese bei Säugetieren sei ein Ding der Unmöglichkeit, vielleicht doch noch einmal über denken müssen«. Der in Jonas' Augen entscheidende Satz lautete: »Es ist möglich, daß manche der ledigen Mütter, deren Starrsinn in alten Büchern angeprangert wird ... die Wahrheit gesprochen haben.«
Selbst beim Lancet, wo man Dr. Spurways Behauptungen anfänglich verlacht hatte, hatte man schließlich eingestehen müssen, daß es möglich sein konnte ...
Jonas legte die Zeitschrift aus der Hand und rieb sich die Augen. Die ganze Sache war äußerst unbefriedigend; einerseits hatte er mehr gefunden, als er erwartet hatte, andererseits jedoch weit weniger, als er sich erhofft hatte. Nach einigen Monaten lebhafter Kontroverse und weitreichender Publicity-Time, Newsweek und sogar der Manchester Guardian hatten über den Fall berichtet - hatte der Aufruhr sich gelegt, und bald krähte kein Hahn mehr danach.
Bewiesen ist gar nichts, hatte die schwerfällige wissenschaftliche Gemeinde erklärt; es gibt ja nichts als negative Beweise - die Zellen des Kindes enthalten dies nicht oder jenes; aber um eine Theorie zu erhärten, bedarf es positiver Beweise. Doch woher sollte man die nehmen?
Acht Jahre waren seitdem vergangen. Wissenschaft und Forschung hatten in der Zwischenzeit Riesenschritte gemacht. Es mußte doch irgendwo irgend jemanden geben ...
»Faszinierend«, sagte Bernie ohne große Überzeugung.
Sie saßen in einem Straßencafé in Westwood Village bei einem Bier. Jonas hatte Bernie eine Stunde zuvor angerufen und ihn gebeten, sich dort mit ihm zu treffen.
»Das ist alles, was du dazu zu sagen hast? Faszinierend?«
»Was willst du denn hören, Jonas?«
Jonas schüttelte den Kopf. Er hatte Bernie die Kopien der Artikel gezeigt, ihm seine Vorstellungen erläutert. »Es ist zum Verrücktwerden, Bernie. Je mehr ich lese, desto weniger weiß ich.«
»Das ist natürlich ziemlich deprimierend, aber wenn du mich für den Experten hältst, der dir deine Fragen zu dieser Sache beantworten kann, muß ich dich enttäuschen.« Er wischte sich den Bierschaum von den Lippen. »Aber lassen wir mal den Spurway Fall beiseite, denn da konnte ja in den Augen der hohen Wissenschaft nichts bewiesen werden. Hast du denn sonst noch irgend etwas über Parthenogenese bei Säugetieren gefunden?«
»Nichts. Es drehte sich immer nur um Elritzen, Seeigel, Eidechsen und Vögel. Bei Geiern findet die Fortpflanzung in der Natur manchmal durch Parthenogenese statt. Darüber weiß ich jetzt eine ganze Menge. Aber über die höheren Tiere habe ich nichts gefunden.«
»Hm.« Bernie runzelte die Stirn und hüllte sich in Schweigen.
»Ich brauche deine Hilfe, Bernie.«
»Wozu? Bist du so sicher, daß das Mädchen die Wahrheit sagt? Schau mal, Jonas, die entscheidende Frage ist doch, ob Parthenogenese bei Säugetieren überhaupt möglich ist. Habe ich recht? Man kann von Truthühnern nicht einfach auf Menschen schließen. Aber -« er hob belehrend seinen
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