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Bitteres Geheimnis

Bitteres Geheimnis

Titel: Bitteres Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gegangen.«
    »Ach?« Er schaute zu ihrem Köfferchen hinunter.
    »Meine Freundin Germaine hat mich ein paarmal besucht und mir erzählt, welche Busse sie genommen hat. Ich hab's einfach umgekehrt gemacht.«
    »Du bist mit dem Bus gekommen? Die weite Fahrt?«
    »Ich mußte ja.«
    »Aber - wo sind denn deine Eltern?«
    Mary zuckte die Achseln. »Zu Hause, nehme ich an.«
    »Wissen sie nicht, daß du von St. Anne's weg bist?«
    »Nein.«
    Jonas beugte sich abrupt nach vorn. »Du bist einfach aus dem Mütterheim weggegangen und direkt hierhergekommen? Ohne jemandem etwas zu sagen?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil ich nicht mehr dort bleiben wollte.«
    »Ich meine, warum bist du direkt hierhergekommen? Warum bist du nicht nach Hause gefahren?«
    »Weil ich wissen möchte, wieso ich schwanger bin. Sie sind der einzige, der mir helfen kann.«
    »Mary -« Jonas setzte sich wieder tiefer in seinen Sessel und stieß dabei mit dem Fuß an seine Aktentasche. »Mary, du mußt nach Hause. Ohne Erlaubnis deiner Eltern kann ich nichts tun.«
    »Das weiß ich. Aber ich mußte einfach zuerst zu Ihnen kommen. lch meine, ehe ich meinen Eltern sage, was ich für mich beschlossen habe. Sie sind der einzige Mensch, an den ich mich wenden kann und dem ich vertraue. Ich kann meinen Eltern nicht allein gegenübertreten, Dr. Wade. Jetzt noch nicht.«
    Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. Er sah das Kindliche hinter der dünnen Fassade erwachsener Selbstsicherheit. Doch keine so tiefe Wandlung, dachte er. Bloß ein Kind, das sich die Maske der Erwachsenen aufgesetzt hat.
    »Du brauchtest nicht aus dem Mütterheim wegzugehen, um mit mir sprechen zu können. Du hättest mich anrufen können. lch wäre zu dir gekommen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Doch, ich mußte weg. Ich will die Schwangerschaft zu Hause erleben. lch möchte bei meinen Eltern und bei meiner Schwester sein. Sie sollen dazugehören.«
    »Hast du dir mal überlegt, was sie davon halten werden?«
    »Das ist mir gleich, Dr. Wade. Sie müssen mich einfach akzeptieren. Sie haben mich weggeschickt, weil sie meinen Anblick nicht aushalten konnten. Aber ich laß mich nicht wegpacken wie Mr. Rochesters verrückte Ehefrau. Ich habe nichts getan. lch bin keine Verbrecherin. Dr. Wade -« Mary beugte sich zum Schreibtisch vor und sah ihn beschwörend an - »können sie mir sagen, wieso ich schwanger bin?«
    Er war hin- und hergerissen. Einerseits drängte es ihn, ihr alles zu sagen, andererseits hielt er es für geraten, sein Geheimnis noch für sich zu behalten.
    »Es wird dich vielleicht überraschen, Mary, aber ich habe in den letzten zwei Monaten sehr viel an dich gedacht und mir die gleiche Frage gestellt wie du: Wie bist du schwanger geworden.«
    »Ach, Dr. Wade, ich wußte ja von Anfang an, daß Sie mir glauben. Darum bin ich heute zu Ihnen gekommen.«
    Jonas konnte den hoffnungsvollen Blick nicht aushalten. Abrupt stand er auf und ging zum großen Fenster. Das Tal zu seinen Füßen war in gelben Dunst getaucht. Er mußte sich einen Moment Zeit nehmen, um sich zu überlegen, wie er die Situation anpacken sollte; ob er ihr sagen sollte, was er wußte, und wenn ja, wie er es ihr am besten sagen konnte.
    Mary hatte sich durch die Schwangerschaft verändert, gewiß, sie war reifer geworden. Doch was er ihr zu sagen hatte, würde auch für eine erwachsene Frau schwer zu begreifen und zu verarbeiten sein. Konnte er ihr diese Belastung zumuten? Wie, dachte er, soll ich ihr sagen, daß in ihrem Bauch vielleicht kein Kind heranwächst, sondern eine monströse Masse menschlichen Gewebes?
    Um sich noch etwas Zeit zu schaffen, fragte er: »Wie war es denn eigentlich in St. Anne's?«
    Er hörte sie seufzen und glaubte eine Spur Ungeduld wahrzunehmen.
    »Es war wie im College. ln einem Wohnheim. Es ist wirklich ganz schön da. Es hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Krankenhaus. Ich hatte ein Zimmer zusammen mit einem sehr netten Mädchen, und die Nonnen waren immer freundlich. Aber ich gehöre da nicht hin. Die anderen Mädchen waren alle schwanger, weil sie was getan hatten, und sie wußten es auch. Sie haben sogar darüber geredet. Nur bei mir war es anders. lch war ausgeschlossen. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, und am Schluß konnte ich es einfach nicht mehr aushalten, nur rumzusitzen und abzuwarten. lch muß wissen, wieso ich schwanger bin.«
    Erst jetzt drehte er sich endlich um. »Die Ärzte im St. Anne's haben dich doch untersucht, Mary. Was haben sie dir über deinen Zustand

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