Bitteres Geheimnis
Stück auf. »Hallo! Warum hast du dich nicht gerührt?«
Amy hockte auf ihrem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt, die Knie bis zum Kinn hochgezogen. Sie gönnte ihrer Schwester keinen Blick, sondern starrte mit finsterer Miene auf die Zimmerwand gegenüber.
»Amy? Was ist denn?«
Amy zuckte die Achseln.
Mary trat ins Zimmer und setzte sich auf den weißen Stuhl vor dem Schreibtisch. »Ist was passiert, Amy?«
»Nein ...«
»Wo ist Mutter?«
Wieder zuckte Amy die Achseln.
»Ist sie noch mit Shirley Thomas unterwegs?«
»Wahrscheinlich.«
Mary betrachtete forschend das missmutige Gesicht ihrer Schwester. »Wie war's im Kino?«
»Ganz gut.
»Was habt ihr euch angeschaut?«
Amy spielte mit ihren Haaren. »Frankie Avalon und Annette Funicello.«
»Amy, jetzt sei mal ehrlich. Was ist los?«
»Nichts.«
»Komm schon, Amy.«
Endlich drehte sie den Kopf. Ihre dunklen Augen blitzten zornig. »Ach, Dad wollte mich heute nachmittag vom Kino abholen, und dann ist er überhaupt nicht erschienen. Ich stand mir fast die Beine in den Bauch, und er kam nicht. Am Ende hab ich bei ihm im Büro angerufen, aber da konnten sie mich nicht verbinden, weil er gerade am Telefon war. Mit deinem Dr. Wade. Und als ich dann Mama anrufen wollte, hat sich gleich überhaupt keiner gemeldet. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als den Bus zu nehmen, und dann bin ich bei dieser Affenhitze den ganzen Weg von der Haltestelle bis hierher zu Fuß gelatscht.«
»Du Arme.«
»Ja. Überhaupt paßt mir hier einiges nicht mehr«, fuhr Amy erbost fort. »Hier stimmt's doch hinten und vorne nicht. Das hab ich schon gemerkt, als du noch in Vermont warst. Mama und Dad waren immer so komisch., und nachts hab ich Mama weinen hören. lch finde das furchtbar.«
»Ach, Amy ...«
Amys Lippen zitterten. »Und als ich ihnen erzählt hab, daß ich in Schwester Agathas Orden eintreten will, hat sie das überhaupt nicht interessiert. Dann bist du wieder heimgekommen, und jetzt ist alles ganz scheußlich hier.«
»Amy -«
Amy sprang vom Bett. »Ich existiere überhaupt nicht mehr für sie. Sie haben mich total vergessen.«
»Das ist nicht wahr!«
»Eben doch!« Amy hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
»Alles dreht sich nur um dich. Es ist ja auch viel wichtiger, daß du ein Kind bekommst, als daß ich Nonne werden will. Du und dein Kind, das ist das einzige, was Mama und Dad interessiert. Und du bist genauso.«
»Amy!«
Amy drehte sich um und rannte aus dem Zimmer. Mary sprang auf und lief ihr nach. Sie faßte Amy beim Arm.
»Bitte, lauf nicht vor mir weg.«
Amy fuhr herum und riß sich los. »Ich hab extra auf den richtigen Moment gewartet«, rief sie schluchzend, »um es ihnen zu sagen. Und weißt du, was sie gesagt haben? Darüber reden wir später. Das war alles.«
»Amy, das tut mir leid «
»Ja, dir tut's leid. Hier dreht sich doch alles nur um dich, und dabei hast du gar nichts getan, um das zu verdienen.«
Mary wich einen Schritt zurück.
»Ich weiß schon, was du getan hast!« rief Amy. »Alle wissen es. Alle reden darüber. Und ich find nicht, daß es so toll ist, daß sie dich deswegen wie eine Prinzessin behandeln müssen. Mir graust schon davor, wenn das Baby auf der Welt ist und sich alle nur noch um dein und Mikes Kind kümmern.«
Mary senkte den Kopf. »Es tut mir leid, Amy« , sagte sie. »Wirklich, es tut mir leid, daß es so schlimm für dich ist. Aber es wird wieder besser, das verspreche ich dir. Ich hab nicht getan, was du glaubst und was die anderen sagen. Das Kind ist nicht von Mike. Mir ist etwas sehr Schönes und Wunderbares geschehen, und bald wirst du es auch verstehen, Amy, und dich mit mir freuen.«
Sie hörte, wie krachend die Haustür zufiel, und hob den Kopf. Sie stand allein im dunklen Flur.
»Ja, Mrs. Wyatt, wenn Sie uns für die Spendenaktion ihren Kombi zur Verfügung stellen würden, wären wir sehr dankbar. -Ja, ich gebe Ihnen dann Bescheid. - In Ordnung, Mrs. Wyatt, und nochmals herzlichen Dank. Auf Wiederhören.«
Pater Crispin verkniff es sich, den Hörer aufzuknallen, obwohl er große Lust dazu hatte. Statt dessen legte er ihn betont sachte auf, starrte aber dabei den Apparat so zornig an, als wäre der an seiner Missstimmung schuld. Mit einer unwirschen Bewegung fegte er das Schreiben des Bischofs zur Seite, in dem dieser die Geistlichen seiner Diözese nachdrücklich darauf hinwies, daß die Politik auf der Kanzel nichts zu suchen hatte.
Politik! Nichts hätte Pater Crispin weniger
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