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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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dieser Art von körperlichen Leistungen.
    Im Sommer mieten wir zusammen mit Freunden ein Haus auf Gotland. Tagsüber fahren wir mit dem Fahrrad weite Strecken an irgendwelche Strände, ich bin stark und braun gebrannt. Im Spiegel unseres Schlafzimmers studiere ich meinen Körper. Vielleicht wölbt sich der Bauch doch schon ein wenig hervor?
    Ich träume nicht mehr von blutigen Schleimklumpen, und als wir wieder in Stockholm sind, glaube ich allmählich, dass ein Kind in mir entsteht.
    Auf dem Ultraschall sehen wir unser Kind im Bauch die Faust ballen. Ein Siegerzeichen, ein Kämpferzeichen. Ein Zeichen für uns, dass alles gut gehen wird. Wir fangen an, über Namen zu scherzen, und nennen das Kind in meinem Bauch Sue Ellen.
    Eines Morgens, als ich aufwache und pinkle, stelle ich fest, dass alles rot ist. Ich verstehe es erst nicht, wische mich sauber und sehe, dass das Papier ganz rot von Blut ist. Mit Blut vermischter Urin. Das wird orange.
    Sue Ellen ist jetzt zweiundzwanzig Wochen in meinem Bauch, es ist verdammt noch mal zu spät für eine Fehlgeburt! Es darf jetzt keine Fehlgeburt sein, wo ich gerade anfange, mich zu entspannen!
    Wir rufen im Krankenhaus an, und sie sagen, wir sollen kommen. Ich weine, Johan schweigt verbissen. Der Taxifahrer sieht wohl nicht, dass ich auf dem Rücksitz weine, denn als er uns am Krankenhaus aussteigen lässt, sagt er fröhlich: »Viel Glück!«
    Johan murmelt Danke und bezahlt.
    Ich werde untersucht, und als ich den Herzschlag unseres Kindes höre, kann ich aufhören zu weinen. Sue Ellen geht es jedenfalls gut! Der Arzt bewegt den Ultraschallkopf über den Bauch und sieht, dass der Mutterkuchen zu weit unten liegt, vor der Gebärmutteröffnung.
    »Vermutlich hast du deshalb eine kleine Blutung bekommen«, konstatiert er, als er sich die Hände wäscht.
    Wir bleiben ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus, eine andere Ärztin informiert uns, dass wir uns schon jetzt auf einen geplanten Kaiserschnitt einstellen können. Sie sagt es in bedauerndem Tonfall und sieht uns fragend an, weil wir uns freudig anlächeln. Wir sind überglücklich, dass wir uns keine Sorgen mehr über eine Geburt machen müssen!
    Nach ein paar Tagen im Krankenhaus dürfen wir nach Hause fahren. Man hat uns gewarnt, dass es im Verlauf der Schwangerschaft noch öfter zu Blutungen kommen kann. Wir müssen jedes Mal zur Beobachtung ins Krankenhaus fahren. Ich bekomme die strenge Anweisung, mich von nun an zu schonen. Keine schweren Einkaufstüten, kein Radfahren, so viel Ruhe wie möglich.
    Ja, ja, ja, sage ich, erleichtert, dass es meinem Kind gut geht. Das ist das einzig Wichtige.
    Wir sind gerade ein paar Stunden zu Hause, als es an der Tür klingelt. Da steht ein Bote und überreicht uns eine Marzipantorte. Quer über die Torte steht in Schokoladenschrift: Sue Ellen. Johans Schwester und ihr Freund haben die Torte geschickt. Wir stehen uns am Küchentisch gegenüber und betrachten die verschnörkelte Schrift. Der Schokoladenname, unser Kind!
    Zum ersten Mal füllen sich Johans Augen mit Tränen, und den Rest des Abends weinen wir und mampfen Torte. Wir sitzen ganz eng beieinander.
    Meine Hebamme möchte mich krankschreiben, aber ich will nicht. Ich habe Angst vor der Stille, der Ruhe, den Gedanken. Angst, stehen zu bleiben, keine Arbeit, keine Identität zu haben. Angst, so eine – krankgeschriebene Schwangere zu werden. Ein Muttertier.
    Ich sage, dass meine Arbeit nicht anstrengend sei, und erzähle nichts von dem schweren Tonbandgerät, das ich zu allen Interviews schleppen muss. Erzähle nichts vom Druck, vom Stress, von meinen Ansprüchen.
    Wie sollte sie auch verstehen, dass meine Stärke mein Ideal ist, dass ich alle Anzeichen von Schwäche verachte.
    Ich arbeite mehr als je zuvor. Ich mache eine Vollzeitvertretung und arbeite darüber hinaus an einer Dokumentation. Die Leute um mich herum seufzen und verstehen nicht, dass ich ihr Seufzen als Beweis für meine Tüchtigkeit ansehe.
    Es tut mir gut, die Starke zu spielen. Fast gewöhne ich mich an die immer wieder auftretenden Blutungen. Ich gewöhne mich daran, jedes Mal ins Krankenhaus zu fahren, die Nacht auf einer harten Entbindungspritsche zu verbringen und am nächsten Morgen wieder zur Arbeit zu fahren. Direkt vom Krankhaus.
    Ich fühle mich stark und tüchtig und habe merkwürdigerweise weniger Angst, je mehr ich das Schicksal herausfordere.
    So geht das bis drei Tage vor dem geplanten Kaiserschnitt. Am Abend vorher bekomme ich richtig

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