Bitterfotze
Mütter hätte. Eine Kuchen backende, nach Fischstäbchen stinkende und eine exzentrische, intellektuelle, sexuelle. Denn eine Kombination von beidem kann man sich nicht einmal in den kühnsten Träumen vorstellen.
Sie lächelte und gab mir ein paar goldene Pantoffeln Modell Ballerina. Ganz im Ernst. Ich lächelte sie blöd an und wünschte mir, so großartig zu sein wie sie.
Sie servierte den Tee in einer schönen Teetasse mit Goldrand, ich machte das Tonband an und legte los.
»Warum ist deiner Meinung nach in den dreißig Jahren, seit du … sondern erlöse uns von der Liebe geschrieben hast, so wenig passiert. Warum will meine Generation wieder unbedingt heiraten?«
Suzanne nippte an ihrem Tee und dachte ein paar Sekunden nach.
»Vielleicht, weil es immer Wellen sind, rauf und runter, hin und her, jede Generation reagiert damit, dass sie das Gegenteil macht von dem, was die Generation davor gemacht hat«, antwortete Suzanne.
»Soll man also die Tatsache, dass wir wieder heiraten, nur als Reaktion auf euch sehen?«, fragte ich und starrte auf ihren Mund, als ob die Antwort, die gleich kommen würde, lebensentscheidend wäre. Was sie in gewisser Weise auch war.
»Also, es gibt ja immer das Problem, wenn du Kinder haben willst, dann bist du in diesem Dreieck Vater-Mutter-Kind. Und ich glaube, die Veränderungen müssen im jeweiligen Menschen stattfinden, der äußere Rahmen ist da nicht so wichtig. Aber wenn man jung ist, glaubt man vielleicht, dass eine bestimmte Lebensform entscheidend ist für den Inhalt des eigenen Lebens. Aber andererseits ist das Leben nicht mehr so sicher und geborgen, wie es einmal in der Industriegesellschaft oder der bäuerlichen Gesellschaft war. Man könnte es als Ausdruck für Angst sehen: In einer unsicheren Welt mit Terrorismus und so vielem Unkontrollierbaren verlässt man sich auf die Kleinfamilie.«
Ich testete meine Theorien, die Kraft der Liebe, die so ausgebeutet wird, dass die Frauen geben und die Männer nehmen, dass es verheirateten Frauen schlechter geht als ihren unverheirateten Schwestern und so weiter. Suzanne nickte, sagte jedoch nichts. Ich fragte, warum so wenige Geschichten, so gut wie keine, von glücklichen Frauen handelten, die sich fürs Alleinsein und gegen die Ehe entschieden hatten. Suzanne seufzte, sah mich freundlich an und sagte, die freie Liebe sei genauso problematisch wie eine feste Beziehung.
Das war nicht die Antwort, die ich haben wollte, ich wippte mit meinen Goldpantoffeln, schaute auf den Goldrand an der Teetasse und dachte, irgendwie ist das Gold im Weg.
Suzanne Brøgger war es allerdings gewohnt, dass die Menschen von ihr enttäuscht waren, und ich werde verlegen, wenn ich daran denke, wie sie innerlich gelächelt haben muss angesichts meiner Verzweiflung.
»Wie möchtest du denn selbst leben?«, konterte Suzanne, und ich merkte, wie ihr allmählich dieses Interview und vor allem die Interviewerin auf die Nerven gingen.
»Wie?«, fragte ich zurück, um Zeit zu gewinnen.
»Ja …?«, sagte Suzanne.
»Ich weiß nicht, ich denke immer noch darüber nach«, sagte ich kleinlaut.
»Ja, dazu hast du wirklich alle Freiheit«, antwortete Suzanne und lächelte. Und in diesem Moment hatte sie etwas von der klugen Mutter, auf die ich gehofft hatte. Aber jetzt war mir alles so peinlich, und ich kam mir so entlarvt vor, dass mir die Tränen hinter den Lidern brannten.
Ich wollte nicht an ihrem Küchentisch sitzen und weinen, ich kehrte also rasch wieder in die sichere Position der Interviewerin zurück.
»Glaubst du, dass das Patriarchat auf die Ehe angewiesen ist?«, fragte ich.
Das war eine meiner Lieblingstheorien und mein Steckenpferd. Dass das Patriarchat eine Art Über-Ideologie ist, eine Art Religion, die uns bis ins Kleinste beeinflusst. Und Teil der Ideologie des Patriarchats ist es, uns zum Heiraten zu bewegen, um so jeglichen Kampf und Aufruhr zu ersticken. Und als Folge davon handeln die meisten Geschichten – Film, Fernsehen, Bücher – von der Sehnsucht nach der romantischen Liebe. Ein verlogenes Bild, das nie die dunklen Seiten zeigt, wie Misshandlungen, Vergewaltigungen und unbezahlte, schrecklich langweilige Hausarbeit.
Aber Suzanne war nicht meiner Meinung.
»Ich glaube nicht, dass in unserer Gesellschaft das Urpatriarchat noch sehr stark ist. Natürlich tragen wir noch Spuren davon in uns, aber vergleich es mal mit den muslimischen Familien und der Macht, die sie über die Frauen haben. Da kann man von Patriarchat
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