Bitterfotze
wegzuschauen, in meinem Buch zu lesen, die Sonnenbrille abzunehmen, an etwas anderes zu denken, aber es hilft nichts. Jetzt, nach ein paar Tagen, habe ich den Eindruck, einige der Paare zu kennen. Ich starre sie nur noch ungehemmt an.
Am Nebentisch saßen zwei andere deutsche Paare. Eine Frau kam etwas früher als ihr Mann und stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch, begrüßte das befreundete Paar, das schon angefangen hatte zu frühstücken. Dann ging sie weg, um sich etwas zu essen zu holen. Während sie weg war, kam ihr Mann mit voll beladenen Tellern mit Brot und Aufschnitt. Ohne zu zögern setzte er sich an den Platz, an den sie ihre Kaffeetasse gestellt hatte, brachte ein kurzes mhmmm … hervor und trank einen Schluck. Als ob der Kaffee ihm serviert worden wäre. Warum auch nicht? Natürlich war der Kaffee für ihn!
Als die Frau mit ihrem Frühstücksteller zurückkam, zeigte sie mit keiner Miene, dass er sich geirrt hatte. Weder lächelte sie nachsichtig noch machte sie eine Bemerkung. Sie drehte sich nur schweigend um und holte sich eine neue Tasse Kaffee.
Einige der Paare sehen ziemlich zufrieden aus. Als würden sie das parallele Alleinsein wirklich genießen. Als hätten sie die Kontaktlosigkeit und das Nebeneinanderherleben akzeptiert. Als ich eins meiner großen Idole, Suzanne Brøgger interviewte, war ich unendlich enttäuscht von ihrem Gerede von der »Dankbarkeit«, die sie angeblich empfand, jetzt, wo sie älter war.
»Sollen wir uns einfach zufriedengeben?«, fragte ich frustriert.
»Ja, warum nicht«, meinte sie. Dabei hatte sie mehrere fantastische, sehr persönliche Bücher darüber geschrieben, sich gerade nicht zufriedenzugeben. Sie, die immerzu darüber nachdachte, wie man sein Leben möglichst interessant und am wenigsten unglücklich lebte.
Sie hat die schönsten und zugleich traurigsten Zeilen über die Schwierigkeiten der Zweisamkeit geschrieben, die ich je gelesen habe: dass die Zweisamkeit eine organisierte Form des ungelebten Lebens sei. Eine Reihe von Nichtbegegnungen.
Aber im Hotel auf Teneriffa bin ich bereit zu glauben, dass das mit der Genügsamkeit oder Dankbarkeit tatsächlich mit dem Alter kommt. Man ist ganz einfach mit weniger zufrieden.
Ich bin einverstanden mit »Dankbarkeit« in dem Sinne, dass man in aller Ruhe innehalten kann und sehen, was man hat. Dass der Reichtum in Reichweite ist. Immer wenn man geglaubt hat, das Gras auf der anderen Seite sei grüner, musste man feststellen, dass dem nicht so war. Es erfordert auch eine gewisse Begabung, zu erkennen, was man hat.
Allerdings bin ich mir nicht so sicher, dass Suzanne Brøgger das gemeint hat.
Es kann gefährlich sein, seine Idole in der Wirklichkeit zu treffen, vor allem wenn sie Suzanne Brøgger heißen und Bücher geschrieben haben, die die Hölle der Kleinfamilie beschreiben, und zwar mit einer solchen Inbrunst, dass vielleicht Hunderte von Frauen sich ein Herz gefasst und die Scheidung eingereicht haben.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, so hätte ich auch gerne einige persönliche Antworten von dieser klugen Frau bekommen. Antworten auf Fragen, um die es in meiner eigenen kleinen Ehehölle ging, in der ich damals gerade lebte.
Als ich zum ersten Mal ihr Buch … sondern erlöse uns von der Liebe las, adoptierte ich sie sofort als meine Traummutter. Die im Unterschied zu meiner wirklichen Mutter zwar keinen einzigen verdammten Hefezopf backen, mit der man stattdessen reden konnte. Mein Buch ist voller Unterstreichungen und Ausrufezeichen, und manche Zitate kann ich auswendig.
Als mir angeboten wurde, Suzanne Brøgger zu interviewen, zögerte ich keinen Moment.
Ich wollte wissen, wie sie dachte, so dreißig Jahre nach … sondern erlöse uns von der Liebe. Wie sie darüber dachte, dass wir Frauen, die in den 70er-Jahren geboren sind, einfach heirateten, wo doch sie und viele andere Frauen ihrer Generation ganz andere Alternativen aufgezeigt hatten. Warum die kirchliche, traditionelle Hochzeit in meiner Generation so populär ist wie schon lange nicht mehr.
Ich wusste, dass auch Brøgger geheiratet und sogar Kinder bekommen hatte. Als ich an ihrer Tür klingelte, ahnte ich also eine Gespaltenheit, die meiner glich. Dass ihre Gedanken von heute nicht mehr ganz die gleichen wie die von damals waren, auch wenn ich das hoffte.
Sie öffnete, und ich dachte, ja, es stimmt, das mit der Schönheit. Ihre Vorliebe für Leopardenmuster und roten Lippenstift. Und ich dachte, das Beste wäre, wenn man mehrere
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