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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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danach, fröhlich zu sein.
    Der Zug rollt an, wir lehnen uns aus dem offenen Fenster und winken.
    »Tschüs!«, rufe ich laut.
    »Tschüs!«, schreie ich.
    Tschüs, ihr Blödmänner. Tschüs, ihr alle. Tschüs verdammt noch mal.

[Menü]  
    LEOPARDENTRODDELN
    Ich rufe zu Hause an, um Sigges Stimme zu hören. Gestern Abend, als ich anrief, wollte er nicht mit mir sprechen. Aber heute kommt er zum Telefon.
    »Hallo, Schatz! Hier ist Mama. Wie geht es dir?«
    Seine helle kleine Stimme, die ich mehr liebe als alles andere auf dieser Welt.
    »Hallo. Mir geht es gut. Tschüs.«
    Dann läuft er weg, ich höre seine kleinen Schritte auf dem Holzboden. Es schneidet mir ins Herz, ich versuche mich zu beherrschen, aber die Stimme steigt ins Falsett. Wieder eine Art von Gerechtigkeit: Wenn ich abhaue, muss ich damit rechnen, dass er böse mit mir ist.
    Großmutter Eva passt auf ihn auf und erzählt, dass sie und Sigge ein Bild gemalt haben, auf dem ich, Johan und Sigge alle zusammen mit dem Schiff nach Teneriffa fahren. Wir legen auf, und jetzt erfasst mich die große Sehnsucht, gemischt mit Angst und Schuldgefühlen. Was habe ich gemacht? Was mache ich hier?
    Ich versuche mich an die unglaubliche Müdigkeit zu erinnern, unter der ich wochenlang gelitten hatte, bevor ich hierherkam. Wie schlecht es mir ging und wie sehr ich mich nach Schlaf und Alleinsein gesehnt habe. Verdammt, warum ist nur nie etwas gut? Fünf Tage bin ich jetzt weg. Fünf jämmerliche Tage! Das sollten ein Zweijähriger und seine dreißigjährige Mutter ohne größere Traumata überleben, oder?
    Auf der CD singt Nina Simone »I wish I knew how it would feel to be free«.
    Jau. I wish.
    Im Hotel gibt es einen Fitnessraum für die Gäste. Ich denke wie so oft, wenn ich betrübt war, ich sollte mehr Sport treiben. Das hilft fast so gut wie ein heißes Bad, man bekommt wenigstens ein bisschen Kontakt mit dem Körper.
    Ich ziehe mich um, gehe nach unten und stelle fest, dass gerade eine Aerobic-Stunde anfängt. Da stehen junge Spanierinnen in Glitzertrikots und Beinwärmern. Manche haben kleine Pelztroddeln mit Leopardenmuster um Hand- und Fußgelenke. Ist die Gegend um La Quinta Park vielleicht besonders schick? Auf meinen Spaziergängen habe ich nur Villen mit prächtigen und verschlossenen Gittertoren gesehen. Doch, so scheint es zu sein. Diese Versammlung hier würde eher ins teure Sturebad als ins Sportstudio Friskis & Svettis passen.
    Im Friskis sieht man schon mal übergewichtige Frauen in T-Shirts mit dem Werbetext: »I love Dajm!« Lauter untrainierte Körper turnen gemeinsam, und es herrscht eine befreiende Unbeholfenheit.
    Ich war nur ein einziges Mal im Sturebad, und da rutschte ich auf den glänzend polierten Fliesen aus; die Damen schauten mich besorgt an. Ich rappelte mich unsicher auf und kam mir vor wie eine Obdachlose. Die Blicke der Damen verunsicherten mich, ich fragte mich, ob ich wohl schlecht roch oder ob sie glaubten, ich sei eine Drogenabhängige, der es gelungen war, zum Duschen in das vornehme Bad zu kommen.
    Hier zwischen den Pelztroddeln fühle ich mich ähnlich. Einen Moment lang erwacht mein Klassenhass. Ich schaue hinunter auf meine verwaschenen Trainingshosen und mein verfärbtes, gräuliches, ehemals weißes T-Shirt. Meine Klassenunsicherheit.
    Als ich gerade erwäge, in die Geräteabteilung zu wechseln und lieber zu radeln, kommt die Trainerin auf mich zu. Eine etwa fünfunddreißigjährige Frau, die sich als Rosita vorstellt. Sie lächelt freundlich und sagt, sie habe mich hier noch nie gesehen. Ich erkläre, ich sei Gast des Hotels, sie fragt nach meinem Namen und heißt mich willkommen. Ihr Lächeln ist lieb und warm, ich beschließe zu bleiben.
    Die Stunde beginnt, und bald pumpt mein Herz im Takt der miserablen Discomusik. Die Leopardentroddeln und ich machen eine Schrittkombination nach der anderen. Ich grinse glücklich, weil es so guttut. Es ist fast wie Tanzen. Rosita lacht alle fröhlich an, am meisten mich.
    Beim Bodentraining kommt sie zu mir und zeigt mir mit einer Hand am Rücken, in welchem Winkel ich die Sit-ups machen soll. Merkwürdigerweise ist mir die Aufmerksamkeit nicht peinlich, sie gefällt mir sogar. Ich fühle mich erwählt.
    Die Leopardentroddeln sehen auch glücklich aus, und ich denke, das Glitzern spielt eigentlich keine Rolle. Lass sie doch glitzern, es steht ihnen.
    Nach der Stunde trinke ich gierig eine Flasche Wasser, als ich plötzlich Rosita auf mich zukommen sehe.
    »Sara, it was very fun

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