Bittersuess
sehen, ob der Anzug zu meinem Kleid passt“, erkläre ich ihm und schenke ihm einen verführerischen Augenaufschlag.
„Lass die Tricks, mi corazón. In diesem Punkt kochst du mich nicht weich!“
Wir übernachten in einer kleinen Pension und fahren am nächsten Tag wieder zurück. Jetzt, wo ich das Kleid habe, werde ich doch spürbar nervöser.
Zumindest konnte ich Nicolas davon überzeugen, dass ich für die standesamtliche Zeremonie eines meiner Kostüme anziehen kann und nichts Neues dafür brauche.
Die Tage bis zur Hochzeit scheinen jetzt wirklich zu fliegen. Wir haben ein paar Termine bei Pater Enrique, der mir gegenüber immer noch ziemlich misstrauisch ist, aber Nicolas tritt ihm so resolut entgegen, dass er sich nicht traut, mich zum Katholizismus zu bekehren.
In der letzten Woche vor dem großen Tag zerfetzt sich mein Nervenkostüm immer mehr. Heute landen mein Bruder, meine Freunde und Nicolas’ Mutter in Buenos Aires und Juan wird sie abholen. Ich wäre liebend gerne mitgefahren, aber ich muss Marta und Lucia bei Vorbereitungen helfen und möchte ihnen auch nicht alles überlassen. Sie machen schon genug für mich und vor allem Lucia strahlt immer mehr, sie freut sich sehr auf die Hochzeit. Es ist wirklich fast so, als wäre ich ihre Tochter, so stolz ist sie auf mich.
Acht Stunden später sind sie dann endlich da. Nicolas und ich laufen ihnen freudig entgegen, und natürlich brenne ich darauf, Jonas wieder in die Arme schließen zu können.
„Mensch Maus, du siehst unglaublich gut aus“, strahlt er mich an. „Das Leben hier scheint dir gut zu bekommen.“
„Ja, das stimmt“, antworte ich ihm freudig, dann begrüße ich Nicolas ’ Mutter, die mich sehr herzlich umarmt.
„Jonas hat recht, Stella“, lächelt Jenny mir zu. „Du siehst wirklich klasse aus. Ich hab dich noch nie so gesehen.“
„Ich fühle mich einfach wohl hier“, erkläre ich ihr und falle dann Markus um den Hals.
Wir zeigen ihnen, wo sie untergebracht sind. Christine wird das Gästezimmer bei Marta und Lucia im Haus beziehen, ich spüre, dass sie nervös ist, ihrer ehemaligen Schwägerin und Schwiegermutter das erste Mal seit Joaquins Beerdigung gegenüberzutreten, aber die beiden empfangen sie so liebevoll, dass ihre Anspannung schnell verfliegt.
Für Jenny, Markus und Jonas ist ein kleines Gästehaus hergerichtet worden. Es ist sehr schlicht und einfach, aber die Drei sind nicht anspruchsvoll und freuen sich über das kleine Häuschen.
Abends sitzen wir bei uns auf der Veranda und etwas zögerlich traue ich mich dann, Jonas nach meinen Eltern zu fragen.
„Ich denke mal, Mama und Papa werden nicht kommen“, sage ich traurig.
„Stella, ich habe wirklich alles versucht, aber es ist nichts zu machen. Ich glaube, dass es Mama sehr schwerfällt in Berlin zu bleiben, aber Vater ist in dieser Beziehung stur wie sonst was“, er nimmt meine Hand und streichelt darüber. „Es tut mir leid für dich, Maus.“
„Ich hab nichts anderes erwartet“, antworte ich ihm ehrlich. „Obwohl ich natürlich gehofft habe, dass sie es sich anders überlegen.“
Ich fange Nicolas’ Blick auf, ich weiß, dass ihn das eben so wehmütig stimmt, wie mich. Er gibt sich die Schuld an dem Bruch zwischen ihnen und mir.
Wir bleiben noch lange draußen sitzen und reden. Schnell lenken mich meine Freunde von den Gedanken an meine Eltern ab und es wird noch eine lustige Runde.
Am nächsten Tag fahren Nicolas und ich mit ihnen ein bisschen durch die Gegend und zeigen ihnen das Gestüt, die Rinderherden , die Pferde und das Land, das dazu gehört.
Jenny, Jonas und Markus sind ganz angetan von der Landschaft und zum Abschluss fahren wir an Nicolas ’ und meinen See und berichten ihnen von den Plänen, hier ein Haus zu bauen.
Es tut mir gut, dass Jenny da ist. Mit ihr zusammen kann ich die Nervosität vor der Hochzeit ein bisschen besser durchstehen. Das ist wohl auch das Einzige, was ich hier wirklich vermisse: Eine Freundin, mit der ich reden kann. Zwar gibt es ein paar nette Frauen, die mit den Arbeitern hier verheiratet sind, aber Jenny kenne ich nun mal schon länger und sie weiß, wie ich ticke – und umgekehrt. Und Telefongespräche sind nicht immer ein Ersatz.
Jetzt berate ich mich mit ihr wegen der Frisur für die Hochzeit. Da es noch sehr warm ist, beschließe ich meine Haare hochzustecken und den Schleier daran zu befestigen.
Mit Christine, Lucia und Jenny probiere ich mein Hochzeitsoutfit ein paar Mal aus – und
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