Bittersuess
sein, wenn die Presse etwas von der Entführung weiß. Vielleicht könnte uns das das Leben mal schwieriger als nötig machen.
‚UNS?’ , höhnt es in mir. ‚Was denkst du da bloß? Wie kommst du darauf, dass es jemals ein ‚UNS’ geben könnte?’
Doch ich will die Hoffnung nicht aufgeben, ich kann es nicht. Dies ist im Moment der einzige Motor, der mich antreibt. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Nicolas.
„Stella?“
„Ähm – nein“, sage ich dann entschlossen. „Ich möchte nicht, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Bitte“, ich schaue ihn flehend an. „Ich will kein Mitleid oder deswegen im Rampenlicht stehen.“
„In Ordnung. Natürlich machen wir es so, wie du es wünscht“, lächelt mein Vater mir zu.
Ich bitte meine Mutter mich am Nachmittag zum Gestüt zu fahren. Ich brauche die frische Luft und dem Sommerwetter ist immer noch nicht die Puste ausgegangen. Zuerst wollte ich alleine fahren, aber dann wäre sie vor Sorge wieder umgekommen und im Moment fehlt mir auch die nötige Konzentration zum Autofahren.
Wir verabreden, dass ich sie anrufe, wenn ich abgeholt werden möchte. Dank meines Bruders besitze ich auch wieder ein schickes neues Handy.
Für einen Ausritt fehlt mir die Kraft, deswegen stelle ich mich nur ans Gatter und s ehe den Pferden zu.
Nach einiger Zeit kommt Nadesha zu mir getrabt und schaut mich erwartungsvoll an.
Ich gebe ihr lächelnd eine Möhre und streichle über ihr weiches Maul.
„Es gibt Hoffnung, meine Schöne. Es gibt tatsächlich Hoffnung“, erzähle ich ihr mit Tränen in den Augen.
In den nächsten Tagen grübele ich nur darüber nach, wie ich mich verhalten soll. Immer wieder greife ich nach dem Telefon um ihn anzurufen, aber dann verlässt mich doch der Mut. Die Zeit spanne erscheint mir nicht angemessen, die sein Bruder tot ist. Dass er es ist, steht nun definitiv fest, wie die Polizei uns mitgeteilt hat. Und auch in dem Auto, mit dem sie auf der Flucht waren, wurden Faserspuren meiner Kleidung festgestellt – im Kofferraum. Damit verdichten sich für die Beamten die Anhaltspunkte, dass auch der Andere einer der Entführer gewesen ist. Das Ermittlungsverfahren wird offiziell eingestellt, der Fall als gelöst zu den Akten gelegt.
Aber wie geht es jetzt weiter? Wie verhalte ich mich richtig? Ich meine, er könnte sich ja auch bei mir melden, er müsste doch jetzt wissen, dass sie ihn nicht suchen.
Ich werde immer unruhiger, vielleicht ist der Schmerz über den Verlust seines Bruders einfach noch zu groß – oder er will mich überhaupt nicht sehen. Vielleicht hat er mit mir abgeschlossen, jetzt wo er weiß, dass er nicht mehr Gefahr läuft, verhaftet zu werden. Und wenn er doch alles nur gemacht hat, um für sich eine gnädigere Aussage von mir zu bekommen vor Gericht? War alles nur geheuchelt?
Ich darf gar nicht daran denken, was dann wäre.
Es ist wohl wirklich besser, wenn ich abwarte.
Ich fahre jetzt jeden Tag hinaus zum Gestüt. Meine körperliche Konstitution ist ein bisschen stabiler geworden, aber ich weigere mich immer noch – sehr zur Verzweiflung meiner Eltern – zu einer Psychotherapeutin zu gehen. Ich wage es auch wieder zu reiten, es tut mir gut und ich genieße die einsamen Ausritte mit Nadesha.
Auch auf einen kleineren offiziellen Termin begleite ich meine Eltern. Unser Bild kommt in die Zeitung. Ob es Nicolas auch gesehen hat? Ich hoffe es. Und nach dem Erscheinen des Artikels bin ich noch nervöser. Wird er sich melden?
Doch es passiert nichts. Auch nach drei Wochen nicht.
Mein Nervenkostüm ist zum Zerreißen gespannt, aber ich habe mittlerweile gelernt, zu funktionieren. Und die Träume kann ich mit Hilfe der Tabletten verbannen, ich hab mir selbst welche verschreiben lassen, allerdings nicht von Professor Marquardt, der hat bei der Kontrolluntersuchung über meine Gewichtsabnahme gemeckert. Ich hab ihm Besserung gelobt und bin dann zu einem anderen Kollegen von ihm gegangen.
Wie jeden Tag bin ich auch jetzt auf dem Gestüt. Meine Mutter mault schon herum, weil ich das Studium vernachlässige, aber das ignoriere ich geflissentlich. Dieses Wochenende ziehe ich eh wieder zurück in meine Wohnung, worüber ich auch wirklich froh bin.
Als ich in die Stallgasse komme, höre ich Elfi, eine gute Bekannte von mir, mit jemandem reden.
„Wieso ist denn Dr. Molina nicht gekommen?“, fragt sie mit ihrer hellen Stimme.
Ich gehe schnell näher zu ihnen hin, um die Antwort mitzubekommen.
„Dr. Molina ist in
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