BitterSueß
Andererseits: Was blieb mir denn anderes übrig, wenn nun einmal ein gelungenes Sex-Abenteuer für mich nicht auf die simpel gestrickte Weise zu haben war?
Flüchtig zuckte es mir durch den Sinn, dass es mir niemand verbieten konnte, bereichernde, garnierende Phantasien beim Sex zu haben, die nicht unbedingt um den aktuellen Partner kreisen mussten. Stand in jedem Frauenmagazin, dass das in Ordnung war. Nur, bei mir lag der Fall anders: In der Regel wünschte ich mir verzweifelt, dass Realität (banal und öde) und Phantasie (dunkel-glitzernd-herrlich antörnend) die Plätze tauschen mochten! Ich spürte, dass dies ein Schlüsselsatz war, dass ich dabei war, mir selbst auf die Schliche zu kommen …
Mein Herzschlag beschleunigte sich bei dieser Erkenntnis, und ich konnte sie nicht weiterverfolgen. Aus Angst? Ja, später gab ich das vor mir auch zu. Aus Angst, diese Erkenntnis könnte einen ungeheuren Drachenschwanz hinter sich herschleppen.
Nun, erst einmal landete ich mit Manfred in einer netten urigen Kneipe, die sich »Semikolon« nannte, und später dann in der kleinen Pension, in der man ihn untergebracht hatte.
»Es ist nichts Besonderes«, meinte er mit sympathischer Schüchternheit, um allen Mut zusammen zu nehmen und zaghaft hinzuzufügen: »aber vielleicht magst du trotzdem mit hinaufkommen, ich habe da noch einen sehr ordentlichen Rotwein, den könnten wir uns gemeinsam zu Gemüte führen …?« In seinen unglaublich hellen Augen flackerte es sehnsüchtig, beinahe flehend, fast so, als erwarte er, zurückgewiesen zu werden.
Das rührte mich, natürlich, und ich sagte mit mehr Begeisterung »ja, gerne«, als ich empfand. Denn im Grunde genommen mochte ich keine zaghaften Männer. Verflixt, der Manfred hatte sich seit damals nicht sehr geändert! Und dabei wusste ich, dass er jetzt eigentlich mit Selbstbewusstsein geradezu aufgeladen war, da er eine erfolgreiche Lesung hinter sich hatte. Sein Lyrikband war mehrfach verkauft worden, und im »Semikolon« erfuhr ich auch, dass er ein Lesungs-Honorar bekommen würde. Ich erfuhr sowieso alles Mögliche über ihn und seinen lyrischen Werdegang, alles über seine Teilnahme an Poetry-Slam-Veranstaltungen, über interessierte Verlage und Produzenten, »ja, von Hörspielen, Hörbüchern, Theaterstücken und so, verstehst du, Janet?« Also ich hörte Interessantes und Wissenswertes, klarer Fall, aber zusätzlich noch als Dreingabe bekam ich all das um die Ohren gehauen, worauf ich wirklich hätte verzichten können. Langweiliger Selbstbeölungskram. Das hätte mir zur Warnung gereichen sollen. Tat es aber nicht, denn ich war im Notstand. Ein brutaler, eher zum groben Geschlecht passender Ausdruck, aber so war es nun einmal.
Ich ließ Manfreds endlose Suada mit einem ziemlich erstarrten, wie an meinen Mundwinkeln festgefrorenen Lächeln über mich ergehen, was ihm gar nicht weiter auffiel. Männer merken sowas nie, glaube ich. Besonders enervierend fand ich es, dass er jeden zweiten Satz mit seinem blöden »verstehst du, Janet?«, beendete. Ob er auch mal mich was fragte, sich nach meinem Ergehen erkundigte oder irgendeine kleine Interessensfrage stellte? Nix da. Totale Fehlanzeige.
Ich duldete standhaft und tapfer wie ein Indianer am Marterpfahl und dachte bei mir: Nachher im Bett werden wir – halt auf einer anderen Ebene – schon zu einem Ausgleich kommen. Zu einem erfüllenden Austausch von Energie. Bestimmt.
Später gab ich mir dafür auf der Naivitätsskala sieben satte Punkte …
Okay, ich will nicht allzu sehr meckern. Es gab während unseres erotischen Stelldicheins auch schöne Momente. Ein paar.
Manfred hatte einen recht annehmbaren Körper, wenn sich auf seinem Bäuchlein auch einige Pfund zuviel breitmachten, er verfügte über schönes Brusthaar und sensible Hände, die er zunächst nur ganz scheu einsetzte.
Auch sein Schwanz gefiel mir, erst ebenso zaghaft wie der ganze Mann reckte er sich hervor, hell und glatt und gerade, mit prallen Adern am Schaft und einer Eichel wie Samt – dann kecker werdend, als ich meine Brüste entblößt hatte und mich rittlings auf seine Schenkel setzte, auch wenn ich das gleich zu Anfang nicht so gern mache. Die Haltung lässt den Mann zu passiv werden, finde ich. Er braucht sich dann nur noch zurückzulehnen und zu genießen.
Zu Manfreds Ehrenrettung musste ich sagen, dass er sich zunächst wirklich wacker bemühte. Seine Küsse waren zärtlich und weich. Und er hatte lange muskulöse Arme, die er
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