BitterSueß
noch nicht. Oder?
Verdammt. Diese verfluchte Alpha-Schere in meinem Kopf. Sie hat mich sogar dazu gebracht, dass ich es nicht mehr gewagt habe, diesen wilden heftigen Wunsch weiter zu durchleuchten, zu betrachten, zu analysieren. Ich hab’s einfach verdrängt, wohl wissend, dass das ein Fehler ist. Und er echot weiter durch meinen Kopf, sehr leise, sehr beharrlich. »… fass mich härter an …!«
Bei QUASI war die Stimmung sehr schlecht. Auch die anderen, Subchefs wie Kollegen, spürten nun, dass das Projekt gefährlich wackelte; Gerüchte schwirrten, und niemand wusste etwas Genaues.
Ich bemühte mich nach Kräften, positive Energie zu verbreiten, ich arbeitete intensiver denn je, führte die Abwesenheitsliste, betreute die fünf Supporter, die sich überall beim Kunden verteilten, korrigierte die Software-Dokumentationen, kümmerte mich um das recht häufig läutende Telefon, kopierte, verteilte, faxte, bearbeitete die Post, pflegte die Adresslisten und kümmerte mich um Hotelbuchungen und ähnlichen Reisekram.
Speziell letzteres erledigte ich für den »Q«, der gestern endlich leibhaftig eingetroffen ist. Von ihm erhoffen wir alle uns natürlich Aufklärung. Er ist glücklicherweise um einiges sympathischer als mein ätzender Chef, der jetzige Projektleiter, – und er steht über ihm!
Gestern, kurz bevor ich Feierabend machen wollte, fand »der Q« sogar Zeit für mich. Obwohl‘s doch sein erster Tag bei uns war. Erstaunlich.
Er kam in mein Sekretariat, und als ich sah, dass er vom Projektleiter und dessen Schatten, jenem Subchef, begleitet wurde, stürzte meine Laune zuerst dem Nullpunkt entgegen.
Hm, aber die beiden sehen eher etwas zerknittert aus, dachte ich dann. Kleinlaut und zurechtgestutzt. Und ich gestattete mir ein leichtes Grinsen.
»Frau S., ich freue mich, Sie endlich mal persönlich kennenzulernen«, begrüßte mich »der Q«, ein ernster hagerer Mann mit haselnussbraunen Augen und Spitzbärtchen. »Ich höre viel Gutes über Sie. Das Projekt QUASI hatte ja von Anfang an seine Tücken, und Sie scheinen den Laden ganz prima zusammengehalten zu haben. Sie haben unter schwierigen Umständen Ihr Bestes gegeben, und das schon seit einem Jahr.«
»Oh, vielen Dank«, strahlte ich – das ging runter wie Öl.
Er bat mich um die Projektakte, blätterte diese aber nur flüchtig durch; dann sah er sich wohlgefällig in meinem tipptopp aufgeräumten Büro um, nahm dankend einen Kaffee an und meinte, ich würde mir sicher auch wünschen, dass hier bald wieder geordnete Zustände herrschten.
»Ja, das stimmt«, erwiderte ich, »und ich hatte Ihr Kommen auch so verstanden, dass Sie genau dafür sorgen sollten, Herr Q.«
Er lächelte. »Das sehen Sie richtig. Nun, im Moment fehlt mir die Zeit dazu, aber ich würde mich gern noch einmal morgen oder übermorgen mit Ihnen zusammensetzen um zu hören, wie Sie die Lage einschätzen.«
Projektleiter und Subchef, die beiden Unsympathen vom Dienst, wechselten einen verdutzten Blick. Schon zuvor waren sie leicht zusammengezuckt, als »der Q« mich lobte.
Heute ist er allerdings nicht zu mir gekommen, der Arme: zu viele Termine, zu viel Stress, zu viele Leute, die was von ihm wollen. Das hatte ich schon vorausgesehen. Immerhin betreue ich schon. 22 Mitarbeiter, hinzu kommen noch die Supporter von außerhalb.
Ich schreibe diese Zeilen im Weibernest, wo noch nicht viel los ist. Immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass Murana noch einmal kommen würde … ich wünsche sie mir mehr herbei als meine Leib-und-Magenfreundin Alpha. (kann ich sie überhaupt noch so bezeichnen …?)
Ah, da kommt eine! Aber es ist eine hagere Frau mit messingfarbenem Wischmophaar, die sich misstrauisch umblickt.
Innerlich stöhne ich auf. O je, ich weiß, wir dürfen keine Vorurteile haben. Aber in letzter Zeit häufen sich die Besuche dieser Frauen einfach, und ich fände es viel besser, wenn sie mit mehr »gesunden, normalen« (Himmel, wenn frau sich um political correctness bemüht beim Sprechen, wird fast jedes Wort zum Problem! Darf ich überhaupt »psychisch behindert« sagen, oder ist das auch schon eine Kränkung?) Gästinnen zusammen wären. Aber NORMALE Frauen meiden unser bescheidenes Etablissement, nach wie vor. Wir müssten attraktivere, modernere Veranstaltungen anbieten oder jedenfalls IRGENDWAS auf die Beine stellen, um anderes Publikum anzuziehen.
Denn wenn ich in die Kasse schaue und auch nur die Wochenabrechnungen flüchtig überfliege, wird mir
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