BitterSueß
bringen. Seit ich Marie-Louise kenne, die mich unterstützt und stärkt.
»Der Q.« reagierte auch ein bisschen verschnupft – ja, einen Moment lang wirkte er beinahe beleidigt.
»Sind Sie sicher?«, fragte er perplex und dann, ungläubig: »Sie haben wohl etwas noch Besseres in Aussicht?«
Seine Skepsis kümmerte mich nicht. Im Grunde ging mir das ganze Projekt mittlerweile am A… vorbei.
»Sozusagen«, antwortete ich knapp. »Über ein Zeugnis würde ich mich dennoch sehr freuen.«
Er versprach es mir mit einem mürrischen Murmeln, und dann meinte er ziemlich spitz: »Nun, Reisende soll man ja bekanntlich nicht aufhalten.«
Ein klitzekleines bisschen irritierte mich seine Reaktion schon – und da kam wie ein Zeichen des Himmels am gleichen Abend ein Anruf von Jason Schuster, dass er mich als feste Autorin in seiner Horrorserie haben wollte! Er bot mir sogar einen kleinen Vorschuss an, wenn ich sofort anfangen könnte.
Natürlich ist mir klar, dass ich mit dem Schreiben anfangs nur wenig Geld verdienen werde. Macht aber nix, ich habe ja schließlich noch meine Ersparnisse.
Ich bin voll in Aufbruchstimmung und habe Lust, mein ganzes Leben umzukrempeln. Eine Aussprache mit Alpha steht zwar noch aus (und ehrlich gesagt graut mir auch ziemlich davor), aber dafür hat mich Marie-Louise in einer anderen Angelegenheit angesprochen.
Einer ihrer Mitbewohner, ein Algerier namens Mohammed, sei soeben Knall auf Fall aus ihrer WG ausgezogen und … »Nun such isch ’änderingend jemand Neues. Wie wär’s mit dir, Jeanette? Du brauchst auch erst ab Januar Miete su sahlen. Überleg es dir. Kannst sofort eindsiehen, wenn du magst.«
Ich musste nur kurz überlegen. Schon lange hatte ich es im Grunde genommen satt, eine Zwei-Zimmer-Küche-Bad-Single-Frau mit Katze zu sein. Die Decke fiel mir auf den Kopf, ich fühlte mich extrem einsam in letzter Zeit. Das Angebot kam mir gerade recht.
Marie-Louise hatte eine weitläufige Altbauwohnung in einem ruhigen Viertel der Stadt, nicht weit von meinem, mit vielen Baumriesen drumherum. Mein Zimmer war mit das größte von allen, es waren praktisch anderthalb Zimmer, mit einem abgeteilten kleinen Nebenraum. UND einen Balkon zum Hof raus gab es auch noch. Ideal.
Ich fragte Marie-Louise, ob es denn auch mit Ivory keine Probleme geben würde.
Da zögerte sie einen winzigen Moment, schaute mir dann aber schnurgerade in die Augen und antwortete mit fester Stimme: »Nein. Isch liebe Kadsen, und sie lieben misch auch.«
Ob ich wiederum Schwierigkeiten haben würde, einen Nachmieter für meine alte Wohnung zu kriegen?
»Bei der Wohnungsnot hier?« Ich winkte ab. »Ganz sicher nicht. Da mach dir man keine Sorgen.«
Als kleines Bonbon obendrauf konnte gelten, dass ich sogar zukünftig 70 Euro Miete sparen würde! Und ich würde Gesellschaft haben. Marie-Louise und noch eine andere Frau.
»Wie heißt sie noch? Du hast es mir gesagt, aber ich hab’s wieder vergessen. ’ne Theologiestudentin, stimmt’s?«
Marie-Louise nickte. »Steffi ’eißt sie.«
19. Dezember 2002
Alles läuft tatsächlich wie am Schnürchen! Ich glaube, es beflügelt mich einfach, dass ich mehrere sinnvolle Entscheidungen getroffen habe. Gibt meinem Leben total viel Schwung.
Nicht nur, dass ich in Rekordzeit einen Nachmieter gefunden habe, nein – ich bin auch superfix umgezogen und konnte mich trotzdem abends auf die Horrorserie konzentrieren. Einziger Wermutstropfen bislang: Meine Anfrage nach einem größeren Vorschuss hat Jason abschlägig beschieden, na ja, ich habe eigentlich auch nicht wirklich damit gerechnet. Damit meine Ersparnisse möglichst lange reichen, empfiehlt es sich wohl, so rasch wie möglich einen kleinen Nebenjob zu finden, dachte ich vor kurzem.
Und siehe da, kaum hatte ich das gedacht, ergab sich auch schon die Gelegenheit, dass ich mir eine Hiwi-Stelle schnappe – ach ja, hab noch gar nicht notiert, dass ich auch die feste Absicht habe, mein Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft wieder ernsthaft aufzunehmen. Da passt das ja sehr gut, dass dieser Hiwi-Job mich in ein Sprach-Institut reinbringt, der Uni angegliedert. Fabelhaft.
Die letzten Tage sind wirklich total vollgestopft gewesen mit Terminen, aber ich fühle mich dabei unheimlich lebendig und dynamisch, der Tag könnte von mir aus auch dreimal so viele Stunden haben, und alles fügt sich sinnvoll ineinander, es ist wie Verliebtsein.
Apropos verliebt! Mein Job geht ja erst im Neuen Jahr los, doch nach dem
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