BitterSueß
Vorstellungsgespräch wurde ich von einem meiner künftigen Kollegen herumgeführt, und er heißt Hassan, ist ein total süßer Marokkaner mit großen, samtigen braunen Augen, muskulösem Oberkörper und schlanken, aber kräftigen Händen … wir haben miteinander geflirtet. Wunderbar. Es gibt nichts Schöneres und Besseres, um ein leicht angeknackstes Selbstwertgefühl wieder zu reparieren, wie mir sicher jede Frau bestätigen kann (ja, ich kaue noch immer ein bisschen an meiner Manfred-Niederlage herum). Hassan ist Austauschstudent, und das äußerst exotische Knistern, das er ausstrahlt, macht mich total an.
Hm, übrigens, der zweite Wermutstropfen in meinem »neuen Leben« ist diese Steffi!
Schon unsere erste Begegnung fiel ein bisschen unglücklich aus. Es war genau der Moment, in dem ich meinen etwas unförmigen Katzenkorb in die Wohnung im 2. Stock schleppte. Außer Atem betätigte ich die Klingel, in der Hoffnung, Marie-Louise wäre da und würde mir öffnen. Stattdessen wurde die Tür – nach einer kleinen Weile – schwungvoll aufgerissen, und vor mir stand ein hagerer Lockenschopf mit dunklen, sorgfältig geschminkten Augen. Ihr spitzes Kinn stach direkt auf meine Stirn zu.
»AAACH sieh mal an, du bist bestimmt die Neue, Jane oder so ähnlich, stimmts, hast du noch keinen Schlüssel? Ich hoffe du verstehst dass ich eigentlich Tach und Nacht am Arbeiten bin, meine Magisterarbeit, du verstehst schon! Marie is für den Moment nicht da, komm rein, machst du auch keine Musik oder so? Der Mohammed hat manchmal getrommelt, das ist mir ganz schön auf den Keks gegangen.« Ihre Stimme schrillte in mein Hirn. Sie machte eine Mikropause, beäugte misstrauisch meinen Korb und fragte: »Und was ist da drin?«
Ich muss hierbei erwähnen, dass ich einen selbstgebastelten Katzentransportbehälter habe, gefertigt aus einem alten Wäschekorb aus Weide, so dass keinesfalls auf den ersten Blick erkennbar war, welches Tier sich darin befand. Und Ivory verhielt sich im Augenblick ganz ruhig.
»Mein Ragdollkater«, antwortete ich freundlich.
»Waaaas? Du bringst eine KATZE mit?«, kreischte Steffi da auf, und ich schwöre, erst ab diesem Moment, da ich ihr gesagt hatte, was in dem Korb war, fing sie an zu näseln und zu hüsteln und tastete nach einem Taschentuch.
»Ich bin Allergikerin, jawohl, schon seit Jahren, hab eine Allergie gegen Katzen, Hunde und Pferde, die Viecher dürfen mir auf gar keinen Fall zu nahe kommen, oh je, was für ein Mist, sag mal, kannst du das Tier denn nicht irgendwo in Pflege geben oder – was weiß ich!«
»Das ist nicht dein Ernst!«, gelang es mir empört einzuwerfen, aber Steffi, die jetzt angeekelt vor mir und meinem Weidenkorb zurückwich, ließ sich nicht bremsen.
Jetzt begriff ich, wieso Marie-Louise fast unmerklich gezögert hatte, als ich sie fragte, ob mein Kater irgendwelche Probleme machen würde. Und geantwortet hatte sie lediglich, dass sie, Marie-Louise, Katzen liebe. Nun war ich allerdings davon überzeugt, dass sie es erwähnt hätte, wenn Steffi WIRKLICH eine Katzenhaarallergie gehabt hätte. Denn ich hatte Marie Louise als rücksichtsvoll und empathisch kennengelernt. Folglich musste, was ich ja auch schon direkt vermutet hatte, Steffis ganzes Getue nichts weiter sein als eben genau das: Getue.
Na, das fing ja gut an mit dieser Mitbewohnerin.
Hoffentlich würde ich sie selten treffen und hoffentlich war sie tatsächlich so eifrig beim Studium, wie sie behauptete, und bastelte ständig an ihrer Magisterarbeit herum, hinter fest verschlossener Zimmertür. Ich konnte bereits jetzt gut auf ihre Anwesenheit verzichten.
Innerlich ein wenig die Augen rollend, brachte ich Ivorys Korb in mein Zimmer, das zu einem großen Teil fertig eingerichtet war. Überschüssige Möbel, die ich nicht mehr brauchte und die in meinem neuen, kleineren Domizil keinen Platz gefunden hätten, hatte ich über ebay verscherbelt. Auch ein Supergefühl, ganz nebenbei bemerkt. An den meisten Möbelstücken klebten alte Erinnerungen (Alpha, zum Beispiel), und ich fühlte mich geradezu erleichtert, sie loszuwerden. Ballast abwerfen, war die Devise.
Es war ein außergewöhnlich schöner Dezembertag, eine blasse Wintersonne malte zarte Kringel auf die Platte meines Schreibtisches, der vorteilhaft am größeren der beiden Fenster stand. Dort also würden meine nächsten – honorierten – Horrorgeschichten entstehen. Hoffentlich verkaufte sich die Serie gut. Immerhin, Jason Schuster machte nach wie vor
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