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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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einen sehr dynamischen, engagierten Eindruck auf mich.
    So ließ ich meine Gedanken wandern und der kleine Zusammenprall mit der zickigen Steffi schrumpfte zur Bedeutungslosigkeit; erstens mal war es mir am wichtigsten, dass ich mich mit Marie-Louise gut verstand, und zweitens konnte es ja sein, dass die brünett gelockte Theologiestudentin einfach nur einen schlechten Tag hatte. Und sie stand unter enormem Stress. Vielleicht war sie im Normalzustand ganz nett.
21. Dezember 2002
    Ich fühle mich schon ganz heimisch hier in der WG!
    Mit Steffi kaum Kontakt gehabt, dafür umso mehr mit Marie Louise, mit super Gesprächen, wie eigentlich immer. Und mein Kater hat sich sehr schnell an sein neues Zuhause gewöhnt. Ragdolls sind sowieso die Hunde unter den Katzen.
    Bester Beweis für mein Heimisch-Werden – ich schreibe viel, komme phantastisch voran, und ich … also ich füge einfach mal einen Textauszug hier ins Tagebuch ein … WAS ich schreibe, ist anders als früher.
    »Unbekannter Ort, fremder Raum, Zeitferne.
    Der Nebel deckte das kleine Städtchen Pesanto noch zu. Nur die Spitze des Kirchturms durchstieß die bizarre dichte Nebelwand, die das Leid der Kriegsgeschehnisse gnädig einhüllte und zu verbergen suchte.
    Jack wunderte sich über seine nahezu poetischen Gedanken, denn innerlich war ihm ganz anders zumute.
    Als der Nebel sich lichtete, bot sich ihm ringsum ein trauriger, fast unfassbarer Anblick der Zerstörung. Es herrscht reges Treiben, Verletzte wurden versorgt, Tote weggebracht.
    Langsam, verwirrt von den Geschehnissen machte Jack sich auf den Weg hinunter in eine vernichtete Welt, doch zugleich fühlte er sich seltsam stark und frei.
    Er war auf einen Berg geflohen, um den heranbrandenden, immer heftiger werdenden Massakern durch den Feind zu entgehen … wo war er DAVOR gewesen … er war sich nicht sicher … irgendetwas mit einer Taschenuhr, die er verloren hatte … Jack grinste und schüttelte den Kopf, während gleichzeitig irgendetwas Dunkles in seinen Augen erschien, etwas, das sich schon vor langer Zeit dort eingenistet hatte. Ein paar Leute zogen an ihm vorbei, mit ihren letzten Habseligkeiten, hin zu hastig aufgestellten Zelten, die als Notunterkünfte dienten.
    Was hier geschehen ist, übertrifft bei weitem all meine blutigen tödlichen Fantasien, und mit diesen Gedanken schlenderte er durch die zerstörten Gassen und Straßen, und wo mag ALICE jetzt sein?
    Der Gedanke an sie ließ ihn nicht los, er war besessen von ihr.
    Es war nicht schwierig, sich hier inmitten des rauchenden Chaos, durch das Schmerzensschreie und Hilferufe drangen, mit Hanfseilen und einigen Tuchfetzen zu versorgen. Und ein Teil, das zur Standardausrüstung von Polizisten gehörte, nahm er ebenfalls mit. Er stahl es einem uniformierten Toten.
    Catalaniastraße, sie wohnt in der Catalaniastraße, schoss es Jack durch den Kopf; er hatte keine Ahnung, woher er das wusste, doch traumwandlerisch fand er dorthin.
    Nur einmal auf dem Weg stockte er, denn er spürte die Anwesenheit seines Bruders wie durch eine Schicht aus virtueller Watte.
    Dann aber überwältigte ihn sein tiefes, finsteres Verlangen. Er sah die junge Frau vor sich. Er würde Alice finden, sie würde allein sein, und dann … seine Hand umkrampfte seine »Ausrüstung«. Jaa … sie packen und fesseln und der Wehrlosen dann das geblümte Kleid hochziehen und …
    … Filmriss. Er wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, ein Tag und eine Nacht? Jedenfalls war es jetzt wieder dunkel, und er wusste, er hatte etwas getan. Im Schutz der finsternebligen Nacht machte er sich wieder auf den Weg in die Catalaniastraße. Verstohlen, wie ein Räuber oder Dieb oder wie jemand, der als etwas noch Schlimmeres gejagt wurde. Empfand er etwa Schuldgefühle? Bis jetzt hatte er sie nicht gekannt.
    Niemand begegnete ihm; rabenschwarzer Himmel hoch droben, ja, wie die breiten riesigen Schwingen eines Raben über ihn gebreitet, bedeckt, kein Mondlicht, nichts …
    Er kam an einer Brettertür an, hörte dahinter dumpfes Stöhnen und ein metallisches Klopfen wie auf ein Rohr, ahh, das Heizungsrohr. Er erinnerte sich.
    Da habe ich sie fixiert. Mit den Handschellen, die ich dem Gardisten … dem Geheimpolizisten … diesem Kerl, wer auch immer er gewesen war, abgenommen habe. Mausetot war der, schon ganz steif.
    Jack grinste.
    Er öffnete die Tür – sie quietschte erbärmlich in ihren Angeln – und sah das geknebelte und gefesselte Mädchen vor sich, als er den Lichtkegel seiner

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