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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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heimwärts trabte, und die Tränen, die dann in meinem Zimmer aus mir herausstürzten, entsprangen zunächst einmal purem Selbstmitleid.
    Danach schwankte ich zwischen »verdammter Mist« und »muss doch auch mal sein, mach dich nicht fertig«, und weil ich stetig weiterschluchzte, fühlte ich mich irgendwann doch etwas leichter und ein Stück weit gereinigt. Noch mehr hätte mir, das war mir völlig klar, ein intensiver Gedankenaustausch mit Marie-Louise geholfen, aber noch immer vermochte ich mich ihr gegenüber nicht zu offenbaren.
    Sie war zwar Künstlerin und bemerkenswert locker und unkonventionell, doch andererseits auch eine ältere Dame, aus meiner Perspektive. Meine Probleme waren so bizarr, und sie entstammte schließlich einer ganz anderen Generation. Ich hätte noch nicht einmal gewusst, wo ich hätte anfangen sollen.
    Na, und noch dazu am Heiligen Abend. Dem zweiten übrigens, den ich fern von meinen Eltern verbrachte. Nach langen Jahren der fest eingefahrenen Tradition hatte ich endlich durchgesetzt, dass ich sie erst am 2. Feiertag besuchen musste.
    Letztes Jahr hatte ich in fröhlicher Frauencafé-Runde den Heiligen Abend gefeiert – mit Alpha, natürlich, und jeder Menge Sekt, von Haschkuchen ganz zu schweigen. Andere Drogen hatte ich nicht angerührt.
    Der Gedanke an Alpha versetzt mir einen kleinen Stich.
    Egal. Gleich gehe ich zu Marie-Louise in die Küche, und wir werden es uns zu zweit ganz weihnachtlich gemütlich machen. Mit Kerzen, aber ohne Weihnachtsbaum. Die unerträgliche Steffi ist zu ihrem Vater, der sie anscheinend vergöttert, abgedüst – sehr schön, so kann auch Ivory frei in der gesamten Wohnung umherstreifen. Und was Marie-Louise betrifft, so hat sie zwar eine erwachsene Tochter in Südfrankreich, aber die besucht sie lieber im Frühling, und sowieso macht sie sich nicht so viel aus Weihnachten.
    Ich mach mich schnell noch frisch – meine Augen sind bestimmt gerötet, und sie fühlen sich ein bisschen geschwollen an – und dann geh ich rüber.
27. Dezember 2002
    Auf der Rückfahrt von meinen Eltern, im Zug nach M.
    Ich habe einen Fensterplatz. Träumerisch schaue ich hinaus auf die winterliche Landschaft. Ich freue mich, wieder zu Marie-Louise zurückzukehren.
    Vor meinem geistigen Auge lasse ich die vergangene Zeit Revue passieren. Mir fällt ein, wie meine Mutter gestern besorgt äußerte: »Du wirkst so geistesabwesend, Liebes. Was hast du denn?« und wie ich darauf nur erwiderte, dass ich halt mitten in einer Geschichte stecken würde. Das verstand sie zwar nicht wirklich, meine gute Mom, aber sie respektierte es mittlerweile.
    Meinem Vater konnte ich gar nicht mit so etwas kommen, der knurrte dann höchstens: »Na, wann wirft deine ganze Schreiberei denn endlich mal was ab?«, aber diesmal hatte er auch zum Glück nichts gefragt. Ihm war wohl auch nichts an mir aufgefallen, was aber womöglich daran lag, dass er so zerstreut war wie der sprichwörtliche Professor.
    Meine verklemmten Eltern waren natürlich, klassischerweise, die letzten Menschen, denen ich auch nur andeutungsweise etwas von den problematischen Zuständen hätte erzählen können, in die ich hinein- und aus denen ich wieder hinaustaumelte. Dann schon eher Marie-Louise.
    Genaugenommen stimmte es ja auch. Ich steckte in der Tat mitten in einer Geschichte: meiner eigenen.
    Mein Highlight an Weihnachten sind die Gespräche mit Marie-Louise gewesen. Wir verstehen uns echt immer besser, wir philosophieren viel über Gott, das Universum und den ganzen Rest … und meistens habe ich dabei den Eindruck, dass Marie-Louise auch das wahrnimmt, was bei mir sozusagen »zwischen den Zeilen« steht. Es ist aber ein angenehmes Gefühl, ganz anders als ich es schon mit anderen Menschen erlebt habe, von denen ich mich dann stückweise auseinandergenommen fühlte.
    Ich bin trotzdem froh, dass die Feiertage erstmal wieder vorüber sind. Jetzt kommen die Raunächte, die magische Zeit zwischen den Jahren, die ich sehr gerne mag.
    Keine Ahnung wieso, aber ich glaube, dass sich irgendetwas ereignen wird in diesen Tagen …
29. Dezember 2002
    Das ist echt hammermäßig, das halt ich im Kopf nicht aus. Stichwort Tierliebe … kaum ist das Fest der Liebe vorbei, bricht hier in der Nachbarschaft eine Art Katzenkrieg aus. Oder, genauer gesagt, ein Kampf zwischen Katzenliebhabern und Katzenhassern. Ausgerechnet! DARAUF hatte ich eigentlich nicht gehofft, als ich von besonderen Ereignissen träumte.
    (Apropos, Hassan hat ein paarmal

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