BitterSueß
sollte.
»Hast du das gemacht?«
»Ja, natürlich! Aber von dem Geld wollte ich noch eine Weile leben!«, jammerte ich.
»Shit happens«, grinste mein Bruder – ich konnte durchs Telefon hören, wie er grinste, »dann musst du wohl arbeiten gehen wie andere Normalsterbliche.«
»Blödmann!«, schnaubte ich und legte auf, was mir aber gleich leidtat, denn er hatte a) recht und b) konnte er nichts dafür. Ich war naiv und blauäugig gewesen, was diese Sache anging. In einem heimlichen Winkel meines Schriftstellerinnenherzens hatte ich gehofft, inzwischen schon so weit zu sein, von meiner literarischen Kunst leben zu können, doch leider war ich davon noch ungefähr so weit entfernt wie der Mond von der Erde. Ich hatte mich unter der Decke der Illusion verkrochen, und jetzt wurde sie fadenscheinig.
Marie-Louise betrachtete mich aufmerksam. »Was ’ast du vor? Willst du wieder als Sekretärin arbeiten?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht recht …«
»Schau mal, ’ier«, meinte meine ältere Freundin da und schob mir das Stadtmagazin zu. »Wär das nit etwas für dich?«
»Telefon-Interviewer gesucht«, stand da, »kein Verkauf, keine Werbung, stundenweise, interessante Studien, guter Verdienst.«
»Klingt ganz gut«, sagte ich, nachdem ich die Stellenannonce studiert hatte, »aber: oje, hört sich an, als müsse ich da nichts anderes tun als Telefonieren …«
»Ja und? Du ’ast eine schöne Stimme, Jeanette, und kannst disch gut ausdrücken.«
»Wirklich?« Zweifelnd blickte ich sie an.
»Wirklisch. ’at dir das noch niemand gesagt?«
»So jedenfalls nicht …«
So wie Marie-Louise hat mich selten zuvor ein Mensch ermutigt und gefördert. Eine schöne Stimme? Ich würde »druckreif« sprechen, hörte ich manchmal, dann freute ich mich und nahm es als etwas zwielichtiges Kompliment.
»Isch finde, du könntest eines Tages auch ’örbücher machen, mit deiner Stimme«, fügte Marie-Louise abschließend hinzu und zog das Magazin wieder zu sich, um weiter darin zu blättern.
Kurz gesagt: Ich bewarb mich telefonisch, ich durfte mich vorstellen, und das renommierte Meinungsforschungsinstitut nahm mich als freie Mitarbeiterin!
Beim Vorstellungsgespräch hatte ich mich einfach darauf konzentriert, wie viele schwierige Situationen ich beim Projekt QUASI gelöst hatte, einfach durch Freundlichkeit und geduldiges Hinhören, auch mit dem Kunden, auch nicht selten am Telefon.
Der neue Job ließ sich gleich ganz gut an, er machte Spaß, und ich traf viele Kollegen, die ähnliche Randexistenzen waren wie ich: Künstler und freiberufliche Kreative, Menschen, die sich aus den verschiedensten Gründen einfach nicht für einen »normalen« Bürojob eigneten, »gehobenes Prekariat«, Angehörige von Minderheiten … ein buntes Sammelbecken interessanter Leute jeglicher Altersgruppe, vom Studenten bis zur Rentnerin.
Jetzt loggte ich mich spätabends (das Telefonieren ging oftmals bis 21 Uhr) wieder mit gutem Gewissen bei PERVY.com ein.
Morgenröte auf meiner Haut
20. März 2003
laechelnder_wolf (23:08:05): dann werde ich
laechelnder_wolf (23:08:16): „wenn es denn funkt“
laechelnder_wolf (23:08:22): das vergnügen haben
laechelnder_wolf (23:08:40): dich mit einer reitgerte bekannt zu machen?
laechelnder_wolf (23:08:59): und das vergnügen, deine brüste zu peitschen
laechelnder_wolf (23:09:05): und deine möse?
laechelnder_wolf (23:09:08): …
laechelnder_wolf (23:09:21): das sind wirklich seeehr nette aussichten
laechelnder_wolf (23:09:42): gar nicht zu reden vom rohrstock und der weidenrute
laechelnder_wolf (23:09:46): …
laechelnder_wolf (23:09:49): mmmmhhhh
laechelnder_wolf (23:10:01): wenn es funken sollte …
laechelnder_wolf (23:10:02): A*
astrid_feinsilber (23:10:18): es macht dir wirklich vergnügen, nicht wahr? das finde ich
astrid_feinsilber (23:10:20): geil
astrid_feinsilber (23:10:22): und:
astrid_feinsilber (23:10:33): ja, möchte alles gern probieren
astrid_feinsilber (23:10:47): bin innerlich bereit dazu
astrid_feinsilber (23:10:59): habe so oft schon sehnsüchtig davon gelesen … darüber geschrieben …
astrid_feinsilber (23:11:00): also
astrid_feinsilber (23:11:04): wenn es funkt …
astrid_feinsilber (23:11:06): A
laechelnder_wolf (23:11:10): …
laechelnder_wolf (23:11:20): dann natürlich auch den gartenschlauch
laechelnder_wolf (23:11:34): die nylonschnur
laechelnder_wolf (23:11:43): das schwere seil …
laechelnder_wolf (23:11:47):
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