Bittersüße Heimat.
darüber, dass Fatma gleich nach der Arbeit nach Hause kam, und prügelte sie. Fatma, die schon seit ihrer Kindheit an Asthma litt, wurde immer häufiger krank.
Es gehe ihr schlecht, sie müsse zu Hause bleiben, sagte sie zu ihrem Mann, als wieder einmal eine Hochzeit in der Familie gefeiert wurde. Eine Freundin bleibe bei ihr. Als ihr Mann bei der Festgesellschaft ohne seine Frau erschien, wurde er von seinem Schwiegervater beschimpft und beauftragt, auf der Stelle Fatma zu holen.
Fatma hatte ihre Freundin zum Bus gebracht, als ihr Mann bei ihrer Rückkehr schon auf sie lauerte. Er verprügelte sie und trat sie dabei so heftig, dass Nachbarn auf die Szene aufmerksam wurden. Sie brachten sie ins Krankenhaus und begleiteten sie anschließend zur Polizei. Danach suchte Fatma Zuflucht in einem Frauenhaus, nach Hause wollte sie nicht mehr zurück.
Zwei Monate später standen plötzlich ihr Vater und ihr Ehemann dort vor der Tür. Fatma konnte fliehen, sie zog um in ein anderes Frauenhaus. Auch dort spürte Khan sie auf. Sie wurde in eine andere Stadt gebracht, in eine betreute Einrichtung. Dort lernte sie Frau B. kennen und machte ein Praktikum in einer Einrichtung für behinderte Menschen. Und sie ließ sich scheiden.
Doch Fatma verkraftete die Trennung von ihrer Familie nicht, sie hatte Sehnsucht nach ihren Geschwistern, besonders in der Türkei. Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen hatte sie nie gelernt. Irgendwann rief sie mit ihrem Handy ihre Schwester in der Türkei an, fragte nach ihrer Mutter und sprach auch mit ihrem Onkel. Alle hätten ihr verziehen, dass sie ihren Mann verlassen habe, meinte der. Wochen später meldete sich ihre Schwester – die Mutter sei schwer erkrankt und bitte sie, in die Türkei zu kommen, vielleicht sei es die letzte Gelegenheit, sie noch einmal zu sehen. Fatma geriet in Panik. Wenn ihre Mutter stürbe, ohne ihre Tochter wiedergesehen zu haben – das könnte sie sich selbst nicht verzeihen. Sie beschloss zu fahren und kaufte sich ein Flugticket nach Malatya.
Als Frau B. davon erfuhr, versuchte sie alles, um Fatma von der Reise abzuhalten. Ob sie denn mit der Mutter selbst gesprochen habe? Welche Krankheit sie denn habe? Ob Fatma ausschließen könne, dass alles nur eine Falle sei, um sie nach K. zu locken und möglicherweise wieder zu verheiraten? Fatma wollte das nicht glauben, sie vertraute ihrer Schwester und dem Onkel. Frau B. traf daraufhin mit ihr eine Verabredung: Sie ließ sich nicht nur die Daten des Hin- und Rückfluges sowie die Adressen und Angaben zu Fatmas Familienangehörigen geben, sondern bat ihren Schützling, ständig Kontakt zu halten und eine Vollmacht auszuschreiben: »Hiermit ermächtige ich Frau B., nach mir zu suchen, falls ich nicht am 15.10.2007 aus der Türkei zurückkomme. Ich will auf keinen Fall in der Türkei bleiben, sondern so bald wie möglich meine Ausbildung in Deutschland beginnen. Ich bitte, gegebenenfalls Frau B. bei der Suche nach mir zu unterstützen. Gez. Fatma Z.«
Die ersten telefonischen Rückmeldungen schienen alle Befürchtungen als unbegründet zu erweisen – Fatma wurde herzlich von ihrer Familie aufgenommen. Krank war ihre Mutter zwar nicht, aber sie hatte offensichtlich Sehnsucht nach der Tochter. Aber je näher der Tag von Fatmas Rückflug rückte, desto schwerer war sie für all jene zu erreichen, die von Deutschland aus Kontakt mit ihr hielten. Erst bekam ihre Freundin sie nicht mehr ans Telefon, Fatma war angeblich nie im Haus; dann wurde die Mutter irgendwann deutlicher und behauptete, Fatma wolle keinen Kontakt mehr mit Deutschland, der Vater werde alles regeln, was zu regeln sei. Frau B. und Fatmas Freundinnen gaben sich mit dieser Auskunft aber nicht zufrieden, sondern versuchten immer wieder, sie selbst ans Telefon zu bekommen. Ein oder zwei Mal gelang das auch, aber Fatma konnte nicht offen sprechen. Klar aber wurde, dass es ihr nicht gut ging und sie das Haus nicht mehr verlassen durfte. Der Rückflug wurde verschoben, denn inzwischen war der Vater aus Deutschland nach K. gekommen. Fatma erzählte mir später, dass er wie ein Berserker in die Wohnung gestürmt sei, alleFamilienmitglieder verprügelt und bestimmt habe, dass Fatma so bald wie möglich wieder verheiratet werde. Als seine Tochter spontan zustimmte, wurde er misstrauisch und höhnte, wenn sie glaube, auf diese Weise wieder nach Deutschland zurückkehren zu können, dann habe sie sich geirrt. Er werde dafür sorgen, dass sie in der Türkei bleibe.
Die
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