Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
ließe? Oder zu fest hielte? Doch er schien sich in ihren Armen sichtlich wohlzufühlen. Sie entspannte sich, ihre Nervosität verwandelte sich in ein überwältigendes Glücksgefühl. Vorsichtig schob sie die Decke zurück und streichelte die Konturen seines winzigen, runzligen Gesichts, das noch ganz rot war von der Geburt. Er war wunderschön, einfach perfekt, unfassbar. Das Näschen hatte er von ihr, das Kinn von seinem Vater. Seine Ohren lagen flach am Kopf an und standen nicht ab wie bei einer Henkeltasse. Die Augen waren fest geschlossen, aber sie wusste, dass sie blau sein würden.
Sie hauchte einen zärtlichen Kuss auf seine kleine Stirn, sog wohlig seinen angenehmen Babygeruch in sich ein. Er begann zu zappeln, und sie lockerte die Decke, damit er mehr Platz hatte. Sie schob einen Finger in eines der eifrig wedelnden Händchen, und die winzigen Finger packten ihn mit verblüffender Kraft. Er stieß ein leises Wimmern aus.
»Er möchte gestillt werden, meine Liebe«, sagte Hexe Harrier aufmunternd, »du musst ihn nur in die richtige Richtung drehen, den Rest macht er allein.« Sie warf ihrem fledermausohrigen Sohn einen wohlwollenden Blick zu. »Zumindest war’s so bei meinen zwei Jungen.«
Ihr Blick huschte betreten zwischen den beiden hin und her. Es spielte keine Rolle, dass sie gierig bei der Geburt zugeschaut, sich keine Einzelheit hatten entgehen lassen. Es spielte keine Rolle, dass er es mit ihr getan hatte. Sie wollte nicht, dass sie jetzt zuschauten. Aber sie traute sich nicht, das zu sagen. Ängstlich schaukelte sie ihr Kind in ihren Armen. Vielleicht verstanden sie ja den Wink und verzogen sich.
Aber im Grunde wusste sie, dass das nicht passieren würde. Hexe Harrier würde sich keinen Moment mit ihrem neuen »Enkel« entgehen lassen. Und die alte Henkeltasse war der Schularzt. Alle Mädchen wussten, wie er war, alle hatten sie bemitleidet, als publik wurde, dass er den Brautpreis für sie bezahlt hatte, alle hatten erleichtert, dass es sie nicht getroffen hatte, hinter ihrem Rücken getuschelt. Sie hatte natürlich gewusst, dass früher oder später irgendjemand den Brautpreis bezahlen würde. Sie war eine Hexe der neunten Generation, die stärkste in ihrem Jahrgang. Sie hatte sich weiter keine Sorgen deswegen gemacht, nicht, nachdem ihre Mutter ihr erklärt hatte, was zu tun war, falls sie innerhalb eines Jahres nicht schwanger geworden war und verhindern wollte, dass sie das Geld zurückgeben mussten. Viele Mädchen wählten diesen Weg, denn Zauberer waren bekanntermaßen nicht sonderlich zeugungsfähig. Aber musste es ausgerechnet die grässliche Henkeltasse sein, dieser eklige Perversling? Als sie es erfuhr, beschloss sie sofort, den Plan ihrer Mutter in die Tat umzusetzen. Sie wollte nicht, dass die Henkeltasse es mehr als ein Mal mit ihr machte. Er war sogar schlimmer, als die Mädchen sich das vorstellen konnten. Eine Woche lang hatte er sie traktiert, sie auf das Kommende »vorbereitet«, ihr Anweisungen gegeben, sie gekniffen und gedrückt, bis sie am liebsten geheult hätte. Aber jetzt ließ sie bei der Erinnerung daran die Schultern hängen. Das und dazu der widerlich süßliche Tee, mit dem Hexe Harrier ihre Milch zum Fließen gebracht hatte … ihre Brüste fühlten sich an wie zwei riesige harte Melonen.
Das Baby wimmerte erneut.
»Sch«, flüsterte sie, damit es still war.
»Brauchst du Hilfe, meine Liebe?« Hexe Harrier beugte sich über sie. »Das Stillen ist äußerst wichtig, meine Liebe, nicht nur für seine Gesundheit, es wird die Magie leichter fließen lassen.«
Ja, ja, das hatte sie alles schon tausendmal gehört: Zauberer wurden nicht nur durch die Geburt geschaffen, sondern vor allem durchs Stillen.
»Vielleicht sollte ich dir ja helfen, Helen? Dies erste Mal?« Die Henkeltasse grinste lüstern.
Sie schüttelte angeekelt den Kopf. Dann zog sie rasch die Schleife am Ausschnitt ihres Nachthemds auf. Verstohlen entblößte sie sich, hielt sich das Kind sofort an die Brust, damit man möglichst nichts sehen konnte. Und Hexe Harrier hatte recht: Der Kleine wusste sofort, was zu tun war. Eifrig schloss sich sein Mündchen um ihre Brustwarze. Ein kleiner Stich, sie zuckte zusammen, doch dann strömte ihre ganze Liebe aus ihr heraus, während sie beobachtete, wie er eifrig nuckelte. Ihr Publikum kümmerte sie nicht mehr, dieser Moment war einfach perfekt. Er war ihr Baby. Ihr wunderschöner kleiner, perfekter Sohn.
Müde und erschöpft fielen ihr die Augen
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