Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
vor dem scharfen Gestank zurück, und ein neuerlicher Blitz fuhr mir in Schulter und Arm. Es war wohl am besten, vollkommen stillzuhalten.
»Ms Taylor«, stieß Helen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und ballte die beringten Hände zu Fäusten, »hier stehen Ihnen weder sympathisierende Trolle noch die Presse noch mein Exmann zu Ihrem Schutz zur Verfügung, und mir reißt allmählich der Geduldsfaden. Sie täten also gut daran, Ihren vorlauten Mund zu halten und …«
Ein Uhrwerk begann zu schlagen. Es hörte sich an wie das Geläut von Big Ben. Helen und Jack wandten mir den Rücken zu und begannen, hastig Zaubersprüche vor sich hinzuflüstern. Magie regnete sacht auf uns herab wie Schnee und machte die zehn Fuß große Kuppel sichtbar, die sich über uns spannte. Ich lag reglos da und zählte die Schläge, um herauszufinden, wie spät es war und wie lange ich schon hier sein mochte: eins, zwei … zehn, el…
Das Uhrwerk erstarrte mitten im elften Schlag.
Etwa vier Stunden also. Shit, das war ganz schön lange. Komm schon, Malik, jetzt finde schon die verdammte Feder, die Nacht wird auch nicht jünger.
In der nun eintretenden Stille hörte ich leise Bewegungen, Kleiderrascheln, den gedämpften Schrei eines Babys, das jedoch gleich wieder beruhigt wurde, und das Kratzen von Metall auf Stein.
Die Kälte um mich herum verschärfte sich, mein Atem hing in weißen Wölkchen über mir in der Luft. Ich fing an mit den Zähnen zu klappern.
Ein Zauber rollte über uns hinweg wie die Druckwelle nach einer Explosion, und mir drehte sich fast der Magen um.
Jack sackte stöhnend an Helens Schulter; sie schlang den Arm um ihn und ließ ihn behutsam zu Boden gleiten. Mit einem traurigen, sehnsüchtigen Ausdruck strich sie ihm das blonde Haar aus dem Gesicht. Ich musste an die Erinnerung denken, die ich vorhin aufgefangen hatte. Als Engel ihr das Kind wegnahm.
Ich verzog das Gesicht. Nein, ich hatte wahrhaftig keine Lust, gerade jetzt Mitleid für sie zu empfinden.
Ihre Traurigkeit verschwand und wurde durch eine gereizte Miene ersetzt. »Sie zittern, Ms Taylor«, bemerkte sie missbilligend.
Ich machte mir nicht die Mühe zu antworten. Erstens war das offensichtlich. Und zweitens klapperten meine Zähne wie eines dieser Aufziehgebisse. Kein tröstlicher Gedanke.
Sie zog ihren Cardigan aus und deckte damit meinen Oberkörper zu. »Es wird gleich wieder wärmer«, bemerkte sie zerstreut, »das ist bloß die Nachwirkung des Zaubers. Wir müssen diesen Zirkel mit der Zeit, die im Dazwischen herrscht, abstimmen.«
»Wie?«, krächzte ich. Als sie mich daraufhin ungehalten ansah, machte ich mich auf einen zweiten magischen Faustschlag gefasst.
Aber der blieb aus. Zu meiner Überraschung antwortete sie mir. »Die Zeit hier läuft anders als draußen in der realen Welt. Langsamer. Eine Stunde draußen entspricht hier etwa einem ganzen Tag. Niemand kann raus, solange die Uhr ihren Schlag nicht beendet hat. Und niemand kann rein. Dieser Ort ist bis morgen früh von der Außenwelt abgeschlossen.«
Das musste ich erst mal verdauen. Ich wusste natürlich, dass die Zeit im Dazwischen ebenso formbar war wie der Raum. Die eigentliche Frage war jedoch, was das für mich bedeutete: Wie lange würde es dauern, bis Malik hier sein konnte? Wie lange, bevor er die Raven-Airlines erwischte und hier in unserem trauten Zirkel landen konnte? Die gute Nachricht war, dass ich wahrscheinlich doch nicht so lange bewusstlos gewesen war, wie ich gefürchtet hatte. Die schlechte Nachricht: Falls Malik eine Stunde brauchte, konnte das bedeuten, dass ich einen ganzen Tag lang hier festsaß.
Panik drohte mir die Kehle zuzuschnüren; ich kämpfte sie entschlossen nieder. Ich hatte mich schon in schlimmeren Situationen befunden. Ich würde einen Ausweg finden. Und ich war noch nicht tot. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mein Tod nicht auf Helens Agenda stand, jedenfalls noch nicht, also …
»Man muss den richtigen Moment abpassen«, unterbrach Helen meine Überlegungen. »Deshalb hat es ja so lange gedauert, bis wir hier reinkamen, ohne dass er es bemerkt hat.«
»Ohne dass wer was bemerkt hat?«, erkundigte ich mich.
»Dr. Craig, natürlich.« Sie schaute mich an, als ob ich ein wenig minderbemittelt wäre. »Er hat das alles angerichtet. Obwohl es Ana, seine Schwägerin, war, die das Dazwischen zum Leben erweckt hat. Er hat sie dazu gezwungen. Er selbst ist nicht mächtig genug für eine derartige Magie.«
So war das also. Dann
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