Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
zu.
Leiser Gesang ließ sie hochzucken. Panisch schaute sie nach unten. Ihr Baby lag noch immer in ihren Armen. Erleichterung durchflutete sie. Er war eingeschlafen. Sein kleiner Mund stand offen. Zum ersten Mal konnte sie seine winzigen Fangzähnchen sehen, die aus seinem rosa Babyzahnfleisch spitzten. Zwei milchige Blutstropfen hingen zitternd an ihrer Brustwarze. Verstohlen versuchte sie sie mit dem dünnen Stoff ihres Nachthemds wegzuwischen. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Hastig deckte sie ihre Brüste wieder zu.
»Meine Liebe?« Hexe Harriers missbilligender Ton ließ sie aufblicken.
Ihr blieb fast das Herz stehen.
Sie waren alle da.
Hexe Harrier, die alte Henkeltasse, der Kelpie … und neben ihm ein Mädchen, kaum älter als sie selbst.
Es war das Mädchen, das ein leises Wiegenlied sang. Ihr anmutiger Körper wiegte sich im Takt. Sie hatte einen Finger in eine Strähne ihres langen silberblonden Haars gewickelt.
Und neben ihr stand der irische Wolfshund.
»Nein«, kreischte sie und drückte entsetzt ihren Sohn an sich. »Du hast gesagt, dass ich ihn behalten darf! Du hast es versprochen !«
»Es ist nur zu deinem Besten«, sagte Hexe Harrier mit harter Miene.
Das Mädchen, das eine Sidhe war, hörte auf zu singen und kam tänzelnd zu ihr ans Bett. Sie beugte sich vor und gab dem Baby einen Kuss aufs Köpfchen. Dann schaute sie sie mit den großen, unschuldigen Augen eines Kindes an.
Der Anhänger hing an einer Kette um ihren Hals.
»Sei nicht traurig, hübsches Mädchen«, flüsterte die Sidhe. Dann nahm sie ihr ihren Sohn weg.
justify
49. K apitel
W ar das wirklich nötig? Sie einfach so fallen zu lassen?«, sagte Helen Cranes Stimme in hochmütigem Ton. Das und der scharfe Geruch von Ammoniak rissen mich aus ihren traurigen Erinnerungen. »Sie war bereits verletzt, und jetzt hast du es noch schlimmer gemacht. Sie muss einigermaßen denken können, wenn das hier funktionieren soll. Es ist wichtig; eine zweite Chance kriegen wir nicht.«
Ich hatte Helen gefunden. Oder besser gesagt: sie mich. Und sie wollte mal wieder was von mir, wie konnte es anders sein. Ich versuchte, nicht mehr an ihre traurigen Erinnerungen zu denken, und konzentrierte meine Kräfte darauf, mich tot zu stellen. Und meine Verletzungen zu katalogisieren. Das Ergebnis war entmutigend: Ich war mir ziemlich sicher, dass Schlüsselbein und Schulterblatt gebrochen waren, vielleicht auch der Oberarmknochen. Mein linker Arm war vollkommen nutzlos. Ich lag auf einem eiskalten Steinboden, und die Umgebungstemperatur schien nahe dem Gefrierpunkt zu sein. Im Gegensatz dazu brannten die mit magischen Steinen und Sprüchen bepackten Handschellen, mit denen ich an Händen und Füßen gefesselt war, wie Feuer.
»Ich weiß, wie wichtig es ist, Mylady«, sagte eine Männerstimme entschuldigend. »Ich habe mein Bestes versucht, aber wir wurden angegriffen, und ich hätte sie beinahe verloren. Ich bitte um Vergebung, Mylady.«
Ich warf unter gesenkten Wimpern einen verstohlenen Blick auf den Sprecher. Es war Jack Rabe in seiner menschlichen, blondlockigen, indigoäugigen Erscheinung. In Jeans und lila Pulli kniete er neben mir. Entweder hatte er mittlerweile gelernt, sich angezogen zu verwandeln, oder ich war schon länger hier. Besorgt schaute er Helen an, die neben ihm kniete.
Sie, die sonst immer wie aus dem Ei gepellt wirkte, sah nun zum ersten Mal merklich mitgenommen aus: Das Haar schlampig im Nacken zusammengebunden, trug sie eine gebügelte Designerjeans, dazu eine rosa Bluse und eine marineblaue Cardigan-Jacke. Ihr Christbaumschmuck wirkte dazu unpassender denn je. Sie schaute Jack gereizt an und schwenkte dabei gleichzeitig zerstreut ein Riechfläschchen unter meiner Nase. Aha, daher dieser Ammoniakgestank. Ich hätte fast laut aufgelacht. Was bildete sie sich ein? Dass ich errötend in Ohnmacht gefallen war?
»Ich hab doch gesagt, du sollst mich nicht so nennen, Jack«, fauchte sie ihn an. »Ich bin deine Mutter und nicht eine von deinen flittchenhaften Sidhe-Freundinnen, mit denen du flirtest und schöntust. Sag Mum zu mir oder Mutter oder meinetwegen Helen, aber bloß nicht ›Mylady‹!«
Ich hatte also auch Helens Wechselbalg-Sohn gefunden und – wenn ihre Erinnerung nicht trog – Mad Max’ verschollenen Sprössling. Das musste der Hunde-Sprössling sein, von dem die Rede gewesen war. Es überraschte mich, dass ich nicht früher darauf gekommen war, auch wenn eine Verbindung zwischen einer Hexe und einem Vamp noch so
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