Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
schrecklichsten Dinge zu tun, wenn wir nur verzweifelt genug sind und daran glauben, dass es einem guten Zweck dient und das geringere von zwei Übeln ist.«
Ich senkte den Kopf und schaute auf seine Füße. Sie waren lang und schmal und ebenso elegant wie er selbst. Auch er hatte »die schrecklichsten Dinge« getan: mich attackiert und für tot liegen lassen, als ich vierzehn war. Und dann noch das andere Mal – oder andere Male? Zählte das letzte Mal eigentlich, da ich ja bereits tot gewesen war?–, als er mich getötet hatte. Er hatte immer gute Gründe gehabt, und ich hatte ihm verziehen. Verdammt, das letzte Mal hatte ich ihn sogar gebeten , mich zu töten. Aber sein kummervoller Gesichtsausdruck ließ mich vermuten, dass er selbst sich nicht verziehen hatte.
Ich berührte kurz seine Hände. »Es geht hier nicht um dich«, sagte ich leise.
In seinen Augen stand tiefe Reue. »Der Satyr ist nicht anders als wir alle, Genevieve. Und er hat bereits bewiesen, dass er sowohl den Willen als auch die Fähigkeit zu töten besitzt.«
»Finn hat niemanden getötet …« Aber noch während ich das sagte, musste ich daran denken, dass er Malik einmal eine tödliche Falle gestellt und einen anderen Vampir auf die Hörner genommen hatte (der Vampir war später verschwunden, also konnte man davon ausgehen, dass Finn ihn nicht wirklich getötet hatte). Beides hatte er nur getan, um mich zu verteidigen. »Finn würde keinen Unschuldigen töten, egal worum es geht.«
»Aber du musst zugeben, dass er jemanden töten könnte, wenn er glaubte, dass er den Tod verdient«, entgegnete Malik.
Es lag kein Vorwurf in seinem Ton, aber mir ging er trotzdem auf die Nerven. »Was hast du bloß mit Finn?«, fragte ich verärgert, »warum willst du ihm unbedingt was anhängen?«
»Ich versuche nur, die Absichten der Göttin zu erforschen, das ist alles. Glaubst du, sie meint, du sollst ein Kind bekommen, um den Fluch zu brechen?«
»Ja, ja, lenk ruhig ab«, brummte ich mürrisch. Was ich allerdings von ihm erwartete, jetzt, wo er meine Geschichte kannte, hätte ich nicht sagen können.
Das jedenfalls nicht.
»Genevieve, ich bin es nicht, der abzulenken versucht.«
Nein, sondern ich. Ich zupfte gereizt an einer blauen Teppichfaser, die ein wenig herausstand. Aber was wollte ich eigentlich?
»Genevieve?«
»Ja!«, stieß ich hervor und riss den Faden aus dem Teppich, »ja, ich glaube, dass sie das meint.«
»Und was würde geschehen, wenn du den Fae vom Befehl der Göttin erzählen würdest?«
Ich hob die Hände. »Sie würden tun, was sie die ganze Zeit getan haben: Sie würden versuchen, mich davon zu überzeugen, ein Kind zu bekommen.«
Er warf einen raschen Blick über meine Schulter, was mich zutiefst beunruhigte, dann schaute er mich wieder an. »Du hast dich bis jetzt geweigert, ein Kind zu bekommen, weil der Ausgang – das Ende des Fluchs – unsicher gewesen wäre. Aber jetzt hat es die Göttin bestätigt. Es gibt also keinen Grund mehr für dich, länger Widerstand zu leisten.«
»Du hast’s erfasst«, sagte ich böse.
»Warum bekommst du dann nicht einfach ein Kind, so wie die Fae es wünschen, und beendest das alles?«, fragte er in einem so vernünftigen Ton, dass ich ihm am liebsten eine gescheuert hätte.
Ich riss den Kopf hoch. »Und was, wenn ich die Göttin falsch verstanden habe, weil ich so auf das fixiert bin, was die Fae wollen?« Ja, genau das war es: Ich wollte, dass er sich eine andere Erklärung einfallen ließ, eine, die nicht bedeutete, dass ich schwanger werden musste. »Und was würde passieren, wenn ich es erzählte? Jeder würde sofort wollen, dass ich den Fluch breche, indem ich schwanger werde; keiner würde sich mehr um den Faelingmörder scheren!« Ha! Das kannst du nicht so einfach vom Tisch weisen! » Und selbst wenn ich ein Kind bekäme und den Fluch brechen würde – wer sagt, dass der Mörder nicht weiter morden würde?«
»Die Polizei sucht bereits nach diesem Killer, und das wird sie auch weiterhin tun, ganz abgesehen von dem Fluch.« Er musterte mich nachdenklich. »Genevieve, willst du kein Kind?«
Nein, verdammt noch mal! »Ich bin erst fünfundzwanzig, Malik, ich bin zu jung, um mich mit einem Kind zu belasten.«
»Ja, du bist jung, aber das Kind würde in ein paar Jahren erwachsen sein, und du wärst immer noch jung. Du bist eine Sidhe, so gut wie unsterblich, du wirst noch viele Jahrhunderte lang jung bleiben. Du müsstest nur eine kurze Spanne deiner Zeit einem Kind
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