Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
zehn Grad, und ich fror auf einmal in der eisigen Luft, die von ihm ausging. Erst jetzt wurde mir klar, was ich da gesagt hatte, und ich bereute es zutiefst.
»Und woher willst du das wissen?«, fragte er in einem ebenso eisigen Ton.
Ich verzog das Gesicht. Meine Wut verrauchte angesichts dieses Vampirs, den ich zutiefst gekränkt hatte – dieses gefährlichen Vampirs … eines Vampirs, an dem mir viel lag und den ich wirklich nicht hatte verletzen wollen. Na toll gemacht, Gen! »Hör zu, Malik, es tut mir leid, ich wollte das nicht so …«
»Schweig, Genevieve.«
Sein Befehl verschloss mir – buchstäblich – den Mund; ich kriegte keinen Laut mehr heraus. Schockiert schaute ich ihn an. »Setz dich und sag kein Wort, bis du gehst«, befahl er.
Fassungslos sank ich zu Boden – auch in diesem Fall blieb mir gar keine Wahl. Warum tat er mir das an?
»Ah, sie liegt dir schon zu Füßen, wie? Du bist ja ein richtiger Glückspilz, alter Knabe.«
Die laute, fröhliche Stimme riss mich aus meiner Fassungslosigkeit. Ich drehte mich zu der Brückenseite um, von der sie hergekommen war. Ein anderer Vampir schritt mit wallendem Blondhaar lässig auf uns zu. Sein bis fast zu den Hüften fallendes blondes Haar flatterte in einer nicht vorhandenen Brise – es sah aus wie in einer Werbung für Haarshampoo. Er trug ein weites rotes Dichterhemd, eine hautenge schwarze Hose und blickte uns unter schwerlidrigen Augen entgegen. Das Einzige, was an seinem Goethe-Look störte, war das manische Grinsen, mit dem er uns seine Fangzähne zeigte.
Mit vorsichtiger Erleichterung merkte ich, dass Maliks Zorn wohl doch nicht allein mir galt.
»Du hast hier nichts zu suchen«, erklärte Malik mit bedrohlicher Stimme. »Ich schlage vor, du verschwindest wieder.«
Wallehaar breitete die Arme aus. »Na los, alter Knabe, gib dein Bestes.« Um uns herum ballten sich dunkle Schatten zusammen, die sich zu Speeren formten und auf den Vampir zuschossen. Dieser begann zu laufen, sozusagen direkt ins Mündungsfeuer. Er wurde mitten in die Brust getroffen, stieß einen schrillen, überschwänglichen Schrei aus, verschwamm einen Moment lang vor unseren Augen und kam dann schlitternd vor uns zum Stehen.
»Ich liebe Traumlandschaften«, schwärmte er kichernd, »ihr nicht?« Flink wie ein Affe kletterte er an einem Stahlträger hoch und hängte sich kopfüber an einen Balken. »Ich hätte allerdings erwartet, dass sich die Sidhe ein wenig geschickter anstellt.« Er bedachte mich mit einem lüsternen Grinsen. »Aber was soll’s, Hauptsache, du kriegst ihr Blut, was?«
»Die Sidhe geht dich nichts an«, erklärte Malik eisig.
Na toll, redet nur alle über mich, als ob ich so eine Art Schoßhündchen wäre.
Ich schaute mit zornig verengten Augen zu dem über mir baumelnden Vampir auf. Ich kannte ihn. Das war der Vamp, den Finn auf die Hörner genommen und der sich in dem darauffolgenden Chaos verkrümelt hatte. Ich hatte ihn damals für einen dreckigen kleinen Opportunisten gehalten und nicht weiter ernst genommen. Maliks innere Anspannung, die ich abermals auffing wie mit einem Radar, beunruhigte mich jedoch. Wenn Malik derart nervös war, dann stellte Blondie definitiv eine Bedrohung dar.
Der Dichterfürst ließ sich vom Balken fallen, drehte sich in der Luft und landete leichtfüßig vor uns. Mit einer affektierten Bewegung strich er sein blondes Wallehaar glatt und zwinkerte mir schelmisch zu. »Na, wie wär’s mit ’nem Schlückchen für einen alten Saufkumpan?«
»Denk nicht mal dran, Maxim«, knurrte Malik. Ich zuckte zusammen, denn dieses Knurren ertönte direkt neben meinem Ohr: Malik war schützend neben mir in die Hocke gegangen. »Gib mir deine Hand, Genevieve«, befahl er und bot mir die seine. In der Annahme, dass er mir aufhelfen wollte, gab ich sie ihm.
Maxim stieß ein bellendes Gelächter aus. »Wer wird denn gleich so besitzergreifend sein? Gute Güte, darüber wird sich seine Königliche Hoheit aber gar nicht freuen.«
Königliche Hoheit?
Maliks Hand umklammerte die meine auf einmal wie ein Schraubstock. Ich zuckte zusammen.
» Verzeih, Genevieve «, ertönte seine Stimme in meinem Kopf, » ich wollte dir nicht wehtun .«
»Willst du denn gar nicht wissen, warum ich hier bin, alter Junge?«, erkundigte sich Maxim gut gelaunt.
»Nein.« Malik machte eine Handbewegung. Die Brücke wurde jäh durchsichtig, und der lästige Vampir wurde durch die Wand davongeschleudert. Ich wollte mich schon freuen, dass wir ihn los
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