Bittersuesser Verrat
Menschen ist es eine Unannehmlichkeit«, sagte er. »Für mich oder jeden anderen Vampir wäre es extrem schädlich gewesen, die Kiste zu öffnen.«
»Und wer hat Ihnen die Bombe geschickt?«
Er zuckte mit den Schultern. »Es ist schon so lange her. Vielleicht Klaus. Aber vielleicht habe ich sie auch an mich selbst geschickt. Ich bin nicht immer so besonders rational, weißt du? Hör mal, wenn ich du wäre, würde ich die letzte Schachtel nicht aufmachen.«
Claire warf ihm einen langen, stummen Blick zu, dann ergriff sie die Hand, die Michael ihr hinstreckte, um ihr auf die Füße zu helfen. Sie fühlte sich schwindlig und - ja - als hätte sie Sonnenbrand und sie kam sich ziemlich schmutzig vor. »Großartig. Sie haben also ihre eigenen Kisten mit versteckten Sprengladungen gespickt. Warum tun Sie so etwas?«
»Hervorragende Frage.« Myrnin ging zum Tisch und entnahm der offenen Kiste ein kompliziert aussehendes Knäuel aus Metall und Kabeln - die Art von Bombe, wie sie ein verrückter viktorianischer Erfinder hergestellt haben könnte - und legte sie sehr vorsichtig beiseite. »Ich kann mir höchstens vorstellen, dass ich schützen wollte, was sonst noch in dem Behältnis war.«
Er stand völlig unbeweglich da und starrte in die Kiste. Schließlich verdrehte Claire die Augen und sagte: »Und?«
»Was?«
»Was ist in der Kiste, Myrnin?«
Anstelle einer Antwort kippte er sie in ihre Richtung aus. Eine Staubwolke vernebelte die Luft, und als sie sich legte, sah Claire, dass nichts weiter in der Kiste war.
Überhaupt nichts.
»Ich gehe nach Hause«, seufzte sie. »Dieser Job ist echt das Letzte.«
***
Michael brachte sie mit dem Auto zurück ins Glass House, denn das meinte sie, wenn sie nach Hause sagte, auch wenn sie eigentlich gar nicht dort wohnte. Eigentlich hatten ihre Eltern in ihrem Haus ein Zimmer für sie und ihre Sachen waren auch dort. Zumindest die meisten. Na ja, einige. Und gemäß der Vereinbarung, die sie mit ihnen getroffen hatte, schlief sie dort auch die meiste Zeit jeder Nacht - jedenfalls ein paar Stunden.
Das alles war Teil des großen Plans ihrer Eltern, sie und Shane, nun ja, voneinander fernzuhalten - wenn man es grob formulierte. Das Ganze sollte flüchtig bleiben. Sie wollten nicht, dass ihr kleines Mädchen mit dem Bad Boy der Stadt zusammenlebte, auch wenn Shane nicht der Bad Boy war und er und Claire ineinander verliebt waren.
Verliebt. Jedes Mal, wenn sie darüber nachdachte, überkam sie immer noch ein köstliches kleines Prickeln.
»Eltern«, sagte Claire laut. Michael warf ihr einen Blick zu.
»Und?«
»Sie bringen alles durcheinander«, sagte sie. »Ist Shane zu Hause?«
»Noch nicht. Ich habe Eve zu ihrer ersten Probe gebracht.« Er lächelte träge. »War sie aufgeregt, als sie den Brief bekommen hat?«
»Definiere aufgeregt. Du meinst, ob sie ausgesehen hat wie eine Comicfigur auf Crack? Ja. ich wusste gar nicht, dass sie sich für Schauspielerei interessiert.«
»Sie liebt es. Sie spielt in ihrem Zimmer immer Szenen aus Filmen und Fernsehshows nach. Als wir noch auf der Highschool waren, hat sie immer diese kleinen Stücke organisiert. Sie verteilte die Rollen an uns, die sie auf kleine Papierschnipsel geschrieben hatte, und der Lehrer hatte keinen blassen Schimmer, was da vor sich ging. Verrückt, aber witzig.« Michael bremste; Claire konnte durch die getönten Scheiben nichts erkennen, aber sie nahm an, dass sie an einer roten Ampel waren. Zum Glück hatte Michael die außergewöhnliche Sehkraft der Vampire, denn sonst würden sie jetzt Versicherungsnummern mit irgendeinem anderen Fahrer austauschen. »Das ist also echt wichtig für sie.«
»Ja, das habe ich gemerkt. Wo wir gerade von wichtigen Dingen sprechen, ich habe gehört, dass du morgen im TPU-Theater spielst.«
Die Spitzen seiner Ohrläppchen wurden ein wenig rosa, was (selbst bei einem Vampir) entzückend war. »Ja, offensichtlich haben sie von den letzten drei Auftritten im Common Grounds gehört.« Das waren ziemlich spektakuläre Events gewesen, wie Claire zugeben musste - die Leute standen dicht gedrängt, einschließlich einer beeindruckenden Anzahl von Vampiren, die sich alle benahmen - wenigstens für diesen einen Abend. »Das ist doch keine große Sache.«
»Ich habe gehört, dass es keine Tickets mehr gibt«, sagte Claire selbstzufrieden. »Also ist es doch eine große Sache. Damit musst du dich abfinden.«
Michaels Gesichtsausdruck spiegelte eine komplizierte Mischung aus Stolz,
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