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Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eiskaltes Sprudelwasser.
    »Je suis très fatiguée.«
    Fatiguée, das heißt müde. Peter Sacher nickte mehrmals. Kein Wunder, daß du müde bist, dachte er. Wer nur ein bißchen Fantasie walten läßt, hat genug, um sich gleich daneben zu legen. Er räusperte sich wieder. Seine Kehle war plötzlich trocken. Er wollte in die Ecke des Zimmers sehen, zur inneren Sammlung, aber sein Blick klebte an der zierlichen Figur auf der Couch, als hingen seine Augen an einem Magneten.
    Das Mädchen rührte sich nicht. Es lag mit geschlossenen Augen, wölbte jetzt die Brust etwas höher und spitzte die Lippen wie ein Mäuslein.
    »Un baiser, Henry«, sagte sie leise und zart wie schwingende Sommergräser im Wind. »Oh, mon troubadour, je t'aime.«
    Peter steckte die Hände in die Hosentaschen. Sie waren im Weg und schwitzten zudem. Wie gut ich Französisch kann, dachte er. Ich habe jedes Wort verstanden. Teufel, was ist man doch für ein intelligenter Mensch.
    Er trat einen Schritt vor und atmete tief. Jetzt müßte ein Wunder geschehen, dachte er. Die Tür müßte sich öffnen und Sabine hereinkommen. Diese Venus dort auf der Couch, mit gespitzten Lippen und knappem Hemdchen, nebenan ein Schlafzimmer, dessen Zustand sich noch meiner Information entzieht, aber dessen Anblick bestimmt umwerfend sein wird, die rauch-, parfüm- und alkoholgeschwängerte Wohnung, und ich allein in diesem süßsauren Pfuhl freien Lebens. Für Sabine würde es nur zweierlei geben: entweder die Erkenntnis, daß es besser sei, einen Mann nie mehr allein zu lassen, oder der Entschluß, endgültig einen Strich unter sieben dahingeschleppte Jahre zu ziehen.
    Peter Sacher sah auf den blonden Lockenkopf und fand die Kraft, an die französische Sprache zu denken. Unsicher sagte er:
    »Mademoiselle, je ne suis pas Henry.«
    Der Satz schien gelungen zu sein. Ihm folgte aus aufgerissenen Lippen ein lauter, spitzer Aufschrei, der wie »Iiihh!« klang. Wie von einer Bogensehne abgeschossen, schnellte der schlanke Körper vor und warf sich Peter entgegen. Die müden Augen sprühten plötzlich Feuer, die Haare wirbelten um den schmalen Kopf.
    »Où est Henry?« schrie das Mädchen schrill. Danach riß es sich das dünne, unschuldige Hemdchen vom Körper, zerknüllte es, warf es in eine Ecke und ließ sich, der Nacktheit nicht achtend, in einen Sessel fallen, schwang die langen, schmalen Beine über die Lehne und trommelte mit den Fingern auf den schönen Schenkeln.
    Peter sah zur Seite. Was zuviel ist, ist zuviel. Wenn das Folgende sich weiterhin in solchen Fortsetzungen abspielte, enthob die Handlung ihn jeglicher Antworten. Im übrigen aber war es eine hundsgemeine Gemeinheit von Heinz, eine solche Situation herbeizuführen. Schließlich war man sieben Jahre lang verheiratet, und Paris sollte der inneren Sammlung dienen. Und noch weniger Ehrgeiz hatte Peter, aus der Erbmasse Heinz v. Kletows dieses Mädchen zu übernehmen.
    »Où est Henry?« zischte der Nackedei vom Sessel her wütend.
    »Henry est perdu!« sagte Peter grober, als er wollte. Er rang nach Haltung und überlegener Männlichkeit.
    »Perdu?« Das Mädchen warf die Arme zur Seite. »Oh – quel filou, quel malheur, oh, Monsieur, Monsieur!«
    Auf einmal weinte sie. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht, dick wie Kindermurmeln, und zogen Rillen in den Puder. Sie warf das Gesicht auf die Sessellehne und schluchzte herzerweichend.
    Peter sah sich hilflos um. Ein nacktes Mädchen ist an sich schon ein etwas ausgefallener Morgenanfang. Ein weinendes nacktes Mädchen aber ist ein Superlativ davon. Er war rückhaltlos dazu bereit, mit Coucou einer Meinung zu sein, daß Heinz der größte Filou auf der Welt war. Das enthob ihn aber nicht der Pflicht, etwas Tröstendes zu sagen und sogar zu unternehmen.
    Er tat zunächst das, was alle Männer tun, wenn Frauen bitterlich und herzzerreißend weinen: Er nahm sein Taschentuch aus dem Rock, sah schnell nach, ob es noch sauber war, schob dann seinen Zeigefinger unter Coucous Kinn, hob das Köpfchen empor (man sollte Heinz sieben Stunden lang ohrfeigen, solch einen Engel so seelisch zu verletzen!) und trocknete ihr die dicken Kindermurmeln ab.
    »Nicht weinen«, sagte er leise. Auch das sagen schuldbewußte Männer immer. Der Tonfall ist sehr variabel. Bei Peter Sacher klang er wie ein sanftes Streicheln und leises Säuseln verführerischer Schmeicheleien. »Das ist dieser Heinz gar nicht wert. Glaub es mir. Er betrachtet die Frau nur als ein Spielzeug. Er ist ein

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