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Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vor Peters Augen; er bemühte sich, nicht hinzusehen, aber irgendwie war in seinem Inneren ein Riß zwischen Wollen und Können.
    Als Coucou wieder im Wohnzimmer war, nahm Peter noch einmal einen schnellen, aber herzhaften Schluck aus der Ginflasche. Warum hat Heinz sie allein gelassen und ist nach Arles geflüchtet (wenn das überhaupt wahr ist!)? Coucou scheint keine Gelegenheitsdame zu sein. Sie kennt sich zu gut im Haushalt aus. Sie benimmt sich wie zu Hause. Er stellte die Flasche zurück und sah das abgerissene Strumpfband auf dem Fensterbrett liegen. Eigentlich, sinnierte Peter, reißt man alten Freundinnen keine Strumpfbänder mehr ab. Aber wer kennt sich bei Heinz v. Kletow aus? Und wer weiß, zu welchen Exzessen Coucou neigt, wenn es überhaupt Coucou ist. So sicher ist das ja noch gar nicht.
    Er nahm Puderdose, Lippenstift und abgerissenes Strumpfband und ging hinüber ins Wohnzimmer. Coucou, wenn sie's war, hatte den Tisch gedeckt. Die Tassen standen da, die Teller, die Bestecke. Aus Papierservietten hatte sie kleine Blüten geformt. Sie selbst saß kerzengerade, mit durchgedrücktem Kreuz auf der Couch. Das Nachthemd spannte sich wieder. Es war ein Luxus-Morgenkaffee.
    Peter legte die gefundenen Gegenstände vor sie hin. Coucou, wenn sie's war, sah mit einem kurzen Blick über sie hinweg, dann lächelte sie wie verzeihend, ergriff mit einer wilden Bewegung das abgerissene Strumpfband und warf es in eine Ecke des Zimmers. Darauf klappte sie die Puderdose auf, betrachtete sich in dem kleinen Spiegel, stieß einen spitzen, piepsenden Schrei aus und fuhr sich schnell mit der Puderquaste über das verweinte und verwischte Gesicht.
    Peter sah ihr interessiert zu. Junggesellenerinnerungen tauchten in ihm auf. Er mußte lächeln, und dieses Lächeln war es, was Coucou, wenn sie's war, ermutigte, mit den Augen zwinkernd auf den Platz neben sich zu zeigen.
    »S'il vous plait.«
    Peter nickte zu ihr hinab. Er zeigte auf sie und fragte:
    »Coucou?«
    »Moi?«
    Ihre weißen, kleinen Zähne waren süß. Das Gebiß eines Mäuschens, dachte Peter.
    »Ah! Oui! Je suis Coucou.«
    »Et moi«, Peter suchte nach den Vokabeln. Man muß diesem schmählich verlassenen und sichtlich aufgelösten Geschöpf sagen, daß man Heinz' Freund ist, aber seine Handlungsweise zutiefst bedauert und ganz und gar auf der Seite der jungen Dame steht. »Moi, je suis Pierre!« Er zeigte auf sich. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Sie mußte ihn verstehen. »Et je suis un ami du Henry.«
    »Oh, son ami?« Sie sprang plötzlich auf und ergriff seine Hand. Es ging so schnell, daß ein Rückzug unmöglich war. Außerdem gibt es eine entschuldbare Schrecksekunde und einen langen Verzögerungsweg, wenn ein dreiviertel nackter Körper auf einen zufliegt. Nur als Coucou Peters Hand küssen wollte, zog er sie schnell zurück.
    »Nicht«, sagte er heiser. »Bitte, nein!«
    »Oh!« sagte Coucou. Sie hockte auf der Sessellehne, warf plötzlich die Arme um Peters Hals, preßte ihre heißen, kleinen Hände gegen seine Wangen und küßte ihn auf den Mund. Ihre Lippen zitterten.
    Sicherlich hat sie Fieber, dachte Peter als moralische Rechtfertigung gegenüber seinem Gewissen. Deshalb hielt er auch still und ärgerte sich nur maßlos, daß sein Herz wie eine Kesselpauke dröhnte.
    Als Coucou seinen Kopf wieder losließ, trat er einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Also doch Himbeer, dachte er. Er schmeckt so, wie er riecht, der Lippenstift. Er schielte zu Coucou hinüber und suchte mit den Blicken ihre Lippen. Sie waren voll und sinnlich, fast zu voll für das schmale Gesicht unter den goldenen Haaren.
    Etwas Fremdes, Eigenartiges drückte plötzlich in Peters Brust. Es war ihm, als sei die Zeit zurückgedreht, als sei er wieder ein flotter Zwanziger. Es kribbelte in seinen Händen, und unter der Kopfhaut juckte es. Nur das Herz war lahm. Es kam bei der Belastung nicht mehr mit und brachte den Kreislauf durcheinander.
    Coucou goß Kaffee ein. Sie zeigte auf Zuckerdose und Milch und nickte fragend. Peter nickte zurück. Da gab sie ihm zwei Stückchen Zucker und etwas Milch in den Kaffee.
    Das ist bestimmt das Quantum von Heinz, dachte Peter. Und er ärgerte sich plötzlich darüber, daß Heinz sein Vorgänger war. Es war fast beleidigend.
    Stumm saßen sie sich gegenüber und tranken ihren Kaffee. Von der Eglise Sulpice klangen neun helle Schläge.
    »Neuve heure.«
    Coucou erhob sich schnell. Sie beugte sich noch einmal über

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