Bittersüßes 7. Jahr
öffnete die Schranktür und hängte etwas über einen Bügel.
Dann war es still. Ferro schnaufte die angehaltene Luft aus. Jetzt, dachte er, jetzt! Daß der Schlafpartner schon im Raume war, wußte sie, denn das Licht brannte ja. Außerdem lag der Rauch seiner Zigarette süßlich im Zimmer. Regte dieser männliche Geruch sie nicht auf?
Ferro konstatierte einen Anknüpfungspunkt. Er sorgte für eine Geräuschkulisse. Er erhob sich aus seinem Sessel und ließ ihn laut knarren. Die Dame hinter der spanischen Wand lächelte leicht. Das konnte er nicht sehen. Es war überhaupt gut, daß er nichts sah.
Ferro streckte den Kopf witternd vor. Nichts! Die Dame sprach nicht das erste Wort. Statt dessen ging sie zum Waschbecken und wusch sich die Hände. Man hörte es am Knirschen der Fingergelenke. Der Duft von einem starken Eau de Cologne verfeinerte die Atmosphäre. Ferro-Bornemeyer schnupperte wie ein kleiner Hund hinter einem größeren Bruder und murmelte halblaut: »Ahh!« Dann knitterte er die Zeitung zusammen, beugte sich über das Bett und ließ eine Matratze knarren.
Nichts.
Stille.
Da! Seide raschelte.
Sie zieht sich aus! Wonne, Wonne, sie zieht sich bereits aus!
Ferro-Bornemeyer fühlte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. Er wollte ihn hinunterschlucken, aber der Kloß war eigensinnig und klammerte sich in der Speiseröhre fest. Ferro fuhr sich mit beiden Händen in die gefärbten Haare und raufte sie sich. Seine an sich schon durch das Warten überzüchtete Fantasie schlug Kapriolen. Bilder unerhörter Lebensnähe drängten sich ihm auf und zerfetzten sein Gehirn.
Wieder raschelte es. Leiser, dezenter.
Ferro hielt sich die Ohren zu. Sein verzweifeltes Räuspern, das er gegen die spanische Wand schickte, klang wie ein Stöhnen.
Zwei nackte Füße tappten zum Fenster. Ein schlanker, weißer, nackter Arm tauchte für Sekunden auf und öffnete das Fenster wieder, das Ferro geschlossen hatte. Dann trippelten die nackten Füße zurück, tapp, tapp, tapp.
»Ich kann Tabakqualm im Schlafzimmer nicht vertragen.«
Ferro-Bornemeyer zuckte empor, als sei er angestochen. Ihre Stimme! Ihr erstes Wort! Und welch eine Stimme! Energisch und doch voller Melodie! Was sie gesagt hatte, wußte Ferro in diesem Augenblick schon nicht mehr. In ihm schwang allein nur der Klang wieder.
»Gnädige Frau.«
Ferro klapperte fast mit den Zähnen. Er stand an der spanischen Wand. Mut und Erregung trieben ihm den Schweiß auf die Stirn.
»Bitte?«
»Ich muß Sie tausendfach um Entschuldigung bitten, daß ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten mache. Aber die Hotelleitung, diabolo, Signora, hatte mir mein eigenes Zimmer versprochen und dieses Versprechen gebrochen! Welche Freveltat. Versprechungen sind dazu da, daß man sie hält!« Ferro-Bornemeyer freute sich über diesen doppelsinnigen Satz. Teufel noch mal, was war man doch für ein Kerl! Mutig sprach er weiter: »Ich war untröstlich, als ich erfuhr, daß ich für wenige Tage nur Ihr Zimmer teilen muß. Glauben Sie mir, ich bin unschuldig.« Er stutzte und fügte schnell hinzu: »… daran! Ich verspreche Ihnen, nicht zu schnarchen.«
»Hoffentlich.«
»Sie verzeihen mir?«
»Muß ich ja schon.« Sie lachte. Oh, welch ein Lachen. So lachten die Houris in Mohammeds Paradies. »Wenn Sie schön brav hinter der Wand bleiben, können wir gute Nachbarn werden.«
»Ich schwöre es Ihnen. Ich bin ein milder Mensch.«
»Danke. Ich wußte, daß Sie ein Ehrenmann sind. Ich habe dies nicht anders erwartet, auch wenn es nur wenige Ehrenmänner gibt.« Ihre Stimme wurde fragend. Sie muß neben dem Bett stehen, dachte Ferro-Bornemeyer. In einem durchsichtigen Nachtgewand. Durch seine Schläfen brauste ein Wasserfall. »Man sagte mir, Sie seien Italiener?«
»Sehr recht, gnädige Frau.« Ferro warf sich in die Brust. Sie konnte es nicht sehen, aber sie mußte es am Klang seiner gewichtigen Stimme hören. »Mein Name ist Ermano Ferro, Genua, Automobile en gros und en détail. Größe 1,86, schlank, schwarzlockig, braunhäutig, liebenswürdig, bestimmt Ihr Typ und, das wichtigste, nicht verheiratet …«
Sie lachte wieder. Wie herrlich muß sie aussehen, wenn sie lacht. Und dazu in einem durchsichtigen Nachthemd.
»So genaue Auskünfte wollte ich nicht haben. Um aber auf Ihre letzte Bemerkung zu kommen: Halten Sie es für so wichtig, nicht verheiratet zu sein?«
»Entschieden, Signora! Ein unverheirateter Mann hat immer noch die Chance, bedenkenlos zu lieben.«
»Ein verheirateter
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