Bittersüßes 7. Jahr
gelogen, aber glaubhaft. Der erste Direktor warf einen Blick in die Runde. Seht, so rettet man seine Haut!
Ermano Ferro war steif wie ein Pfahl. Er räusperte sich nur und machte: »Hähäm.«
»Wir konnten Ihnen leider keine Nachricht mehr geben, kein Telegramm, rein gar nichts – wir kannten ja nicht Ihren Aufenthalt auf Ihrer großen Deutschlandreise.«
»Dann kann ich also in den Dünen schlafen?« donnerte Ermano Ferro. Er rollte mit den Augen und ließ das Monokel in die hohle Hand fallen. Das bedeutet bei Monokelträgern den Ausdruck tiefster Empörung. Der erste Direktor erbleichte. Sein Monokel fiel nicht in die Hand, sondern auf den Boden, wo es leise klirrend zerschellte.
»Ich soll wirklich«, Ferro holte Atem. Das Bewußtsein, ein steinreicher Mann zu sein, verlieh Bornemeyer unwahrscheinliche Kräfte. »Nie, meine Herren! Nie! Ich habe von Ihnen eine Zusage. Juristisch gesehen …«
»Aber Signore Ferro!« Der erste Direktor hob beide Hände. So beschwört man Schlangen, dachte Ferro. »Eher überlasse ich Ihnen mein Bett!«
»Ich möchte sauber schlafen«, sagte Ferro gemein. Der erste Direktor seufzte verzweifelt.
»Aber, wir haben ein Bett für Sie. Ein herrliches Bett. Mit Schaumgummiauflagen! Nur«, er druckste herum und sah hilfesuchend in die Runde. Wer aber sollte helfen von diesen Memmen? »Nur müßten Sie das Zimmer mit einem anderen Gast teilen.«
»Das Bett?« schrie Ferro-Bornemeyer.
»Das Zimmer, Signore! Natürlich nur so lange, bis der rabiate Gast Ihr Zimmer hier geräumt hat. Vielleicht zwei oder drei Tage … bis dahin werden wir den Oberinspektor aus dem Hause haben.«
»Teilen?« Ferro warf seinen weichen Hut auf die Rezeptionstheke. »Ich soll für mein Geld ein Zimmer teilen? Ich soll das Schnarchen eines anderen …? Nein! Ich verklage Sie!«
»Es ist ein Doppelzimmer, Signore! Selbstverständlich stellen wir die Betten auseinander!«
»Aber das Schnarchen stellen Sie nicht auseinander.«
»Die Dame schnarcht nicht.«
Bornemeyer-Ferro zog die Augenbrauen hoch. Er begriff noch nicht ganz.
»Wer ist mein Bettnachbar? Wie heißt der Herr?«
Der erste Direktor atmete auf. Er lächelte sogar verschmitzt. Jaja, die Italiener. Heißes Blut haben die Burschen.
»Wir haben natürlich an alles gedacht, Signore. Der Herr ist eine Dame.«
Ferro hustete. Er hatte sich nicht verhört. Er sollte mit einer Dame ein Doppelzimmer teilen! Er sollte mit ihr in einem Doppelbett schlafen! So Seite an Seite, wie ein Ehepaar! Ferro-Bornemeyer atmete schneller. Juristisch gedacht ist das eine vollendete Kuppelei. Menschlich gedacht, ist das eine Zumutung. Männlich gedacht aber ist das ein nie wiederkehrendes Angebot!
Ermano Ferro rieb sich nachdenklich den Menjoubart. Er blickte die erwartungsvollen Direktoren scharf an. Sein Gesicht war verschlossen, aber nicht mehr kriegerisch wie vordem.
»Ist sie hübsch?« fragte er arrogant.
»Sehr, Signore, sehr!«
Die Direktoren warfen sich verschwörerische Blicke zu. Der Geschäftsführer grunzte, der Boy grinste. Gewonnen, jubelten sie innerlich im Chor. Das südländische Temperament ist angesprochen. Jetzt könnten wir ihm die Badewanne anbieten, wenn eine Frau darinnen sitzt.
Ferro-Bornemeyer wollte sichergehen. Er senkte den Kopf und starrte die Direktoren an.
»Jung?«
»Im pikanten Alter, Signore.«
»Ledig?«
»Nein! Aber allein auf Borkum.«
»Und der Ehemann?«
»Weit weg.«
»Olala!« Ferro leckte sich über die Unterlippe. Was man so alles erlebt, dachte er. Für Geld bekommt man fix und fertige Ehebetten mit im Preis eingeschlossener Ehe serviert. Für sechs Wochen, eine Ehe auf Zeit gewissermaßen. Das ist juristisch zwar … Er schaltete ab und nahm seinen Hut von der Theke. Opfer muß man bringen, beruhigte er sein Gewissen. Für die Firma muß man alles tun!
»Wenn es sein muß«, sagte er gedehnt, »bitte! Ich opfere mich! Bleibt mir anderes übrig? Nur, was sagt die Dame dazu?«
»Sie wird nicht nein sagen.«
»Charmant. Damen, die nicht nein sagen, sind wie betaute Rosen.« Er strich sich wieder über sein Bärtchen und registrierte, daß sein fades Bonmot Beifall fand und bald die Runde machen würde. »Meine Herren, ich danke Ihnen, daß Sie hier kein Zimmer frei hatten. Ich werde Sie meinen südamerikanischen Freunden weiterempfehlen.«
Er wandte sich ab, ging in den Speiseraum und setzte sich an einen freien Tisch. Die Blicke der zu Abend speisenden Gäste folgten ihm, als hingen sie an einem
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