Bittersüßes 7. Jahr
Ganze ist eine äußerst solide und lebensnahe Geschichte«, meinte er. »Es gehört einem Grafen Fiorini.«
»Die Geschichte?«
»Das Haus, du Depp!«
»Graf Fiorini? Kein Begriff.«
»Mir auch nicht. Ich habe ihn nie gesehen. Der Graf ist dauernd auf Reisen. Um sein Haus nicht verkommen zu lassen, hat er einen Verwalter eingesetzt. Dieser Verwalter hat eine dicke, häßliche Frau, kannst du mir folgen?«
»Schwer. Ich verstehe noch gar nichts. Häßliche, dicke Frauen waren nie mein Typ!«
»Dieser Verwalter ist immer genau über die Reiseroute seines Herrn orientiert, weil er ihm die Post nachschicken muß. So hat er Gelegenheit, sich eine dicke Nebeneinnahme zu verschaffen: Er vermietet das Haus!«
»Gauner!«
»Der Mietpreis ist nicht sehr hoch. Dafür bekommen das Haus aber auch nur Eingeweihte. Grundbedingung ist Verschwiegenheit.«
Peter Sacher betrachtete seinen Freund kritisch. Irgend etwas stimmte hier nicht. Mit solch langen Vorreden hatte sich Heinz v. Kletow nie aufgehalten.
»Was soll das?« fragte er. »Wozu erzählst du hier die traurige Moritat vom Grafen Fiorini und seinem dickbeweibten Verwalter?«
»Ich habe das Haus gemietet!«
»Du? Bist du wahnsinnig?«
Peter Sacher sah noch einmal hinüber zu dem von der Brandung umspülten Felsen. Eine riesige Villa mit großen Terrassen und einem künstlich angelegten Zypressenpark, mit Wasserspielen und Brunnenkaskaden, Springbrunnen, Rosenbeeten und weißen Kieswegen. Sitz eines unermeßlich Reichen. Ein Traumschloß. Und Heinz v. Kletow bewohnte es?
»Wie willst du denn das bezahlen?« stammelte Peter.
»Sprich nicht von Geld!« Kletow hob die Hand. Er wischte die Worte Peters weg. »Es gibt zwei Worte, die mich rasend machen: Geld und Frauen! Jedes Wort auf seine Art.«
»Also pleite!«
»Dummheit! Pleite kann nur der sein, der etwas hatte. Wer nichts gehabt hat, kann nie pleite sein. Das ist das Gute an der ganzen Sache: Man kommt sich nie ratlos vor. Ich leide lediglich an chronischer Zahl Vergeßlichkeit.«
»Das ist ja wohl dasselbe!«
»Nicht ganz. Es gibt da dialektische Unterschiede. Du wirst es als überkorrekter Mensch nie verstehen. Warum bist du eigentlich nicht Beamter geworden?«
»Heinz! Ich –«
»Reden wir nicht davon! Zurück zum Grafen Fiorini. Ich habe die Villa gemietet. Ich habe sie sogar bis heute bewohnt!«
»Unglaublich. In der Tat.«
»Aber nun, gerade heute, will der Verwalter einen Gegendienst.«
»Ohne Dialektik: Geld!«
Heinz v. Kletow verzog das Gesicht.
»Ich sagte klar: Gegendienst! Das Wort Geld macht mich übel! Der Verwalter und ich hatten ein Abkommen getroffen: Da wir uns auf eine Barsumme nicht einigen konnten …«
»Deine Dialektik ist bezwingend«, lachte Peter.
»… vereinbarten wir, daß Leistungen meinerseits in Naturalien zu erfolgen hätten.«
»Du willst einen Gemüseladen aufmachen?«
Heinz v. Kletow sah Peter strafend an. »Warum nennst du Coucou Gemüse?«
»Was hat denn Coucou mit Gemüse zu tun?«
»Eben!«
»Der Verwalter, sagtest du, verlangt statt Miete Naturalien.«
»Genau!« Heinz steckte die Hände in die Hosentaschen und sah wieder hinüber zu dem weißen Schloß. »Willst du bestreiten, daß Coucou keine Naturalie ist?«
»Heinz!« Peter Sacher riß seinen Freund am Arm zu sich herum. »Das ist Kuppelei!«
»Welch ein ordinärer Mensch du doch bist! Wie kann man so ausfällig werden? Die Lieferung von Naturalien fällt unter den Begriff der Ernährung.«
»Du willst doch nicht im Ernst behaupten, daß Coucou zur Ernährung des Verwalters beiträgt?«
»In erster Linie zu seinem körperlichen Wohlbefinden.«
»Unerhört!«
»Unerhört ist nur die Sucht der Moralisten, dort Moral zu lesen, wo keine ist! Schon im Altertum war es üblich, Mietrückstände durch Austausch netter Sklavinnen zu begleichen.«
»Wir leben nicht zur Zeit Trajans, sondern im 20. Jahrhundert!«
»Deswegen sind die Sklavinnen doch nicht häßlicher geworden? Nur die Namen haben sich geändert. Früher hießen sie Hetären, heute heißen sie …«
»Schon gut! Schon gut!« Peter Sacher sah sich um. Es war ihm peinlich, daß Heinz so laut und ungeniert sprach. Auch wenn es Deutsch war, so gab es auch in Nizza genug Leute, die die deutsche Sprache verstanden. »Wir werden also Coucou dort oben bei dem Verwalter wiedersehen.«
»Nein!«
»Aber du hast doch gesagt?«
»Du wirst nie meine Gedankengänge verstehen!«
»Wie dem auch sei, fahren wir erst einmal hinauf zu deinem
Weitere Kostenlose Bücher