Bittersweet Moon
spätestens um neun verlassen. Ich wartete noch einige Minuten,
bevor ich meinen Mantel anzog und mich von dem Zimmer verabschiedete. Mit
diesem lieb gewonnenen Zimmer werde ich für immer die schönsten, aber auch die
traurigsten Erinnerungen verbinden, erkannte ich, als ich mich noch mal umsah,
bevor ich mich zu der Tür begab. Hoffentlich werden eines Tages die
schönsten Erinnerungen überwiegen... Vor der Tür erblickte ich plötzlich
einen Zettel auf dem Boden. Mit vor Aufregung zitternder Hand bückte ich mich
und griff danach, sofort ahnend, es musste eine Nachricht von Robin sein. Ich
las seine Handschrift und lächelte dabei. "Ich danke dir für deine
Zuneigung, deine Leidenschaft und deine Inspiration. In Liebe, R." Es
folgte eine Strophe von seinem neuen Song, worin ich eindeutig unsere Begegnung
erkannte. Robin erleichterte mir mit dieser kleinen, aber sehr wichtigen
Aufmerksamkeit den Abschied und machte mir aufs neue ein wunderbares
Liebesgeständnis. Mit leichterem Herzen schloss ich die Tür hinter mir und
stieg in den Fahrstuhl. An der Rezeption bezahlte ich mein Zimmer und es blieb
mir immer noch Geld übrig. Die Dame hinter dem Pult schaute mich freundlicher
an als gestern, wo sie an meiner Glaubwürdigkeit als Hotelgast noch zweifelte,
aber ich nahm ihre Blicke kaum wahr. Es fiel mir ein, dass ich eigentlich noch
frühstücken sollte, aber ich hatte sowieso keinen Appetit. Lieber schaue ich
mich noch ein wenig um, bevor ich das Hotel endgültig verlasse und in ein Taxi
steige, dachte ich. Der prunkvolle Weihnachtsbaum, der mich mit seinem
blendenden Zauber erwartungsvoll begrüßte, schaffte es nicht mal, eine kleine
Regung von Freude in mir zu wecken. Fast traurig darüber schenkte ich ihm einen
leeren Blick und wendete mich von ihm ab, verschleiert mit meinem trostlosen
Schmerz. Gegenüber von der Rezeption befand sich ein Souvenirshop und nur mäßig
interessiert betrachtete ich erst die Schaufenster. Doch eine Schmuckschatulle
weckte schnell meine Aufmerksamkeit. Beschlagen mit dunkelblauem Samt hatte sie
eine goldene Krone auf dem Deckel eingeprägt und sie flüsterte mir gerade zu,
so dass ich nach kurzem Zögern reinging und mir von der jungen Verkäuferin die
Schatulle zeigen ließ. Sie war mit einer Spieluhr ausgestattet, die
"Memories" aus dem Musical "Cats" spielte, wenn man sie
aufmachte. Sofort verlor ich mein Herz an sie, sie war ein perfektes Geschenk
für mich. Darin konnte ich alle meine kleinen Erinnerungen an Robin aufbewahren
und die Musik dazu passte wunderbar! Ich bezahlte sie, ließ sie einpacken und
steckte sie in meinen Rucksack. Als ich merkte, dass Robins Geld immer noch
nicht alle war, kriegte ich augenblicklich eine verrückte Idee, was ich mit dem
Rest noch anfangen konnte. Wenn ich wieder zu Hause bin. Begeistert von
der plötzlichen Eingebung verließ ich das Hotel und der Portier hielt mir die
große Tür auf. Ich stieg in ein Taxi ein, das vor dem Hotel stand und
entwischte gerade noch einem heftigen Regenschauer, der sich aus dem grauen,
unfreundlichen Himmel über die Stadt ergoss und endgültig mein sowieso schon
schwaches Interesse an einer schnellen Stadtrundfahrt wegspülte. Der Fahrer
fuhr mich direkt zum Flughafen und diesmal freute ich mich nicht darüber.
Unbeteiligt erledigte ich meine Formalitäten und zwang mich, eine Kleinigkeit
zu essen und zu trinken, während ich noch viel Zeit bis zum Abflug hatte. In
dem großen Presseladen entdeckte ich herzklopfend eine amerikanische
Musikzeitschrift mit Robin auf dem Cover und einem Interview mit ihm. Mit der
Zeitschrift in der Hand setzte ich mich auf eine Bank und blätterte die Seiten
schnell um, bis ich die Fotos von Robin fand. Sie waren wunderschön,
schwarzweiß und sehr erotisch. Auf einem Bild stand er zurückgelehnt an einen
großen Baum, mit nacktem Oberkörper und mit melancholisch gesenktem Blick unter
seinen langen, blonden Strähnen.
Das
andere Bild war noch atemberaubender - es zeigte ihn am Strand, auf seinem
schwarzen Pferd sattelfrei durch das schäumende Wasser reitend, mit
durchnässtem, aufgeknöpftem weißen Hemd, das im Wind hinter ihm wehte, so
traumhaft schön! Auch das Titelfoto war umwerfend. Robin posierte der
Fotografin mit ernstem Gesicht aus dem Halbprofil, nachdenklich blickend, mit
leicht geöffnetem Kussmund. Für einen Augenblick kriegte ich wieder
Schwierigkeiten zu begreifen, dass es ein und derselbe Robin war, den ich auf
den Fotos betrachtete und mit dem ich eine
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