Bittersweet Moon
brennende
Flamme, die die schummerigen Schatten aus meinen verborgenen Ecken verbannte
und mich frei und stolz machte. Das was ich von Robin empfing und was ich für
ihn fühlte, war für mich nichts Selbstverständliches, ich spürte große
Dankbarkeit für dieses Geschenk und wusste es angemessen wertzuschätzen. Tief
ergriffen von diesen Gefühlen verließ ich das Badezimmer und zündete vor meinem
Altar ein betörend duftendes Räucherstäbchen an. Die Ereignisse der letzten
zehn Tage waren für mich kein Zufall, sondern eindeutig ein Geschenk. Diese
kleine symbolische Handlung half mir innerlich, es als solches nur noch
bewusster anzunehmen.
Die
Generalprobe verlief so, wie man es sich von einer Generalprobe nur wünscht -
mit kleinen Hindernissen und Zwischenfällen, die aber eine problemfreie
Premiere garantieren. Aberglaube ist im Theater immer noch stark präsent und
auch an diesem Freitag wurde die kleine Feuerprobe als ein gutes Zeichen für
die bevorstehende Premiere begrüßt. Im ersten Akt zündete mir Rodolfo eine
Kerze an und durch etwas unvorsichtiges Gestikulieren fiel sie auf den Tisch,
der mit einer leicht entflammbaren Tischdecke bedeckt war. Freilich ging sie
gleich in Flammen auf. Herr Bergmann löschte geistesanwesend das Feuer mit der
Bettdecke sofort aus, aber es folgte eine aufregende Diskussion darüber, ob
offenes Feuer auf der Bühne erlaubt war oder nicht. Der Regieassistent, der für
die Idee mit der Kerze verantwortlich war, erfuhr, dass Feuer ohne einen
anwesenden Feuerwehrmann im Saal nicht gestattet war und er musste sich
innerhalb kürzester Zeit um eine schriftliche Genehmigung kümmern. Ende gut,
alles gut, wir kriegten die Genehmigung für Samstag, es wurde uns ein voll
ausgerüsteter Feuerwehrmann versprochen und die Generalprobe verließ ich mit
etwas gemischten Gefühlen. Musikalisch und schauspielerisch verlief alles
reibungslos und ich hatte keine Lust mir noch die anschließende Probe von der
Zweitbesetzung anzuschauen. Das Missgeschick mit dem Feuer nahm mich doch mehr
mit als ich dachte. Herr Bergmann versicherte mir daher bei dem Abschied, dass
ich für den morgigen Abend absolut keine Bedenken haben musste. Mit seiner
langjährigen Erfahrung garantierte er mir sogar, dass Pannen bei der
Generalprobe immer mit einer ausgezeichneten Premiere ausgeglichen werden. Ich
hatte keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen und während der Fahrt nach Hause
beruhigte ich mich allmählich und gewann wieder die Selbstsicherheit zurück.
Meine Gedanken weilten erneut bei Robin. Nur noch zwanzig Stunden trennten uns
von einander und mein Glücksgefühl dabei verbannte schliesslich aus mir die
Aufregung, die ich gerade erlebte. Zu Hause gönnte ich mir ein Entspannungsbad
und las danach noch eine Weile im Bett. Es fiel mir nicht leicht einzuschlafen,
aber nicht wegen der bevorstehenden Premiere, sondern wegen Robins baldiger
Ankunft. Mein Körper glühte wieder in verheißungsvoller Leidenschaft und ich
wälzte mich unruhig im Bett hin und her, ehe ich endlich abschalten konnte.
Das
Wiedersehen
Der
große Tag begrüßte mich etwas trüb und bewölkt, als ich gegen zehn Uhr wach
wurde. Die Wettervorhersage auf meinem Lieblingsradiosender nahm mir sofort die
Hoffnung auf noch einen von Sonne verwöhnten Wintertag, aber als ich hörte,
dass gegen Abend starker Schneefall zu erwarten war, freute ich mich umso mehr.
Robin und ich liefen uns inmitten eines Schneesturmes über den Weg und was wäre
passender für unser Wiedersehen als eine vertraute, märchenhaft verschneite
Kulisse, nur diesmal ohne den zuschauenden Mond? An diesem Tag war es für mich
unmöglich, vollkommen ruhig zu bleiben. Nachdem ich noch die nötigen Einkäufe
in der Nähe erledigt hatte und langsam mit Gesangsübungen anfing, merkte ich,
wie sich mein Magen immer wieder zusammen krampfte. Ich wusste nicht richtig,
ob es die Anspannung vor dem Auftritt war oder doch das Warten auf Robin, was
mich in diesen aufgeregten Zustand versetzte. Ich freute mich auf beides,
deswegen machte ich mir auch keine weiteren Gedanken darüber. Wer würde an
meiner Stelle schon cool bleiben können , tröstete ich mich und kochte mir
einen starken Melissentee.
Tom rief
kurz an und wünschte mir Hals- und Beinbruch, er verstand es völlig, dass ich
an diesem Tag nicht plaudern wollte und er verabschiedete sich auch sofort.
Natürlich hatte er vor, zu der Premiere zu kommen, er freute sich schon
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